Abrechnung der neurologischen Komplexbehandlung bei selbstständigen Toilettengang des Patienten doch möglich

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Wir berichteten bereits über die Entscheidungen des saarländischen Landessozialgerichtes zur Codierung des OPS-Code 8-981.1 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden), die nach Ansicht des Gerichts mit dem selbständigen Toilettengang des Patienten und der damit verbundenen Abkoppelung vom Monitoring nicht zu vereinbaren wäre (vgl. LSG Saarbrücken, Urteile vom 17.02.2016 – L 2 KR 172/14 – und vom 25.01.2017 – L 2 KR 64/14 -). Diese Entscheidungen hatten wir bereits deutlich kritisiert. Sie wird auch von anderen Gerichten nicht geteilt.Auch das bayerische Landessozialgericht hat in einer aktuellen Entscheidung vom 25.01.2018 (- L 4 KR 614/18 -) die Rechtsauffassung des saarländischen Landessozialgerichts verworfen und festgestellt, dass der kurze Gang zur Toilette und die damit kurzfristige verbundene Unterbrechung des Monitorings die Codierung des OPS-Codes 8-981.1 nicht hindert. Eine andere und einengende Auslegung des OPS-Code könnte nach Ansicht des Gerichts dazu führen, dass Schlaganfallpatienten vermehrt Blasenkatheter gelegt würden.

Nach der korrekten Auffassung des Gerichts kommt es dabei nicht einmal darauf an, ob der selbstständige Toilettengang als Teil einer Behandlungsmaßnahme interpretiert werden kann, sondern ausschlaggebend ist allein, dass es der Gang zur Toilette ein menschliches Grundbedürfnis ist. Nach Ansicht des bayerischen Landessozialgerichts können vor diesem Hintergrund die Anforderungen des OPS-Code 8-981.1 dahingehend ausgelegt werden, dass nur eine medizinisch relevante Unterbrechung des 24-Stunden-Monitorings codierfeindlich wäre. Dazu stellt das Gericht auf den eigentlichen Sinn und Zweck des Monitorings im Rahmen der Behandlung von Schlaganfallpatienten ab und verweist darauf, dass nach den aktuellen Anforderungen des OPS-Codes die relevanten Parameter im Abstand von vier Stunden erhoben und dokumentiert werden müssen, wobei es sich bei dieser Klarstellung im OPS-Code 9-981.1 entgegen der Ansicht des saarländischen Landessozialgerichts nicht um eine Neuregelung, sondern lediglich um eine Konkretisierung handelt.

Vor diesem Hintergrund nimmt das bayerische Landessozialgericht unter Berufung auf den Schutz wesentlicher Grundrechte der Patienten an, dass die Anforderungen des OPS-Code 8-981.1 einer weitergehenden Auslegung bzw. sogar einer Analogie zugänglich sind, wonach medizinisch nicht relevante Unterbrechungen des 24-Stunden-Monitorings die Codierung des OPS-Code 8-981.1 ermöglichen.

Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Sie wird den Bedingungen der Praxis gerecht und verhindert absurde Situationen, die durch vom saarländischen Landessozialgericht sehr eng am Wortlaut orientierte Auslegung entstehen. Auch wenn die Betonung der möglichen Gefährdung von Patienten durch das rein wirtschaftlich indizierte Anlegen von Blasenkatheter sehr weit gegriffen erscheint, zeigt die Entscheidung, dass die Auslegung des Wortlautes von OPS-Codes unter Beachtung des Sinn und Zwecks der Regelung auch für die Praxis zu brauchbaren Ergebnisse führt. Auch die vom Bundessozialgericht geforderte enge Auslegung am Wortlaut der OPS-Codes (vgl. nur BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 21/14 R –) darf nicht zu völlig absurden Situationen in der stationären Versorgung führen.

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Meinungen zu diesem Beitrag

  1. Die absurde Auswirkung unausgereifter Formulierungen im OPS ist nicht den Gerichten zuzurechnen. „Eng am Wortlaut“ ist kein neues Rechtsprinzip.
    Gerade die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat bei ihren Komplexbehandlungs-Bemühungen eine Reihe von Eigentoren geschossen. Erinnern wir uns z. B. an die DGN-Forderung (OPS 2008), dass innerhalb von 6 Stunden nach Aufnahme auf der Stroke-Unit ein Schädel-CT angefertigt werden musste. Dem Wortlaut nach galt das auch, wenn der Patient mit einem frischen Schädel-Scan (auswärts gefertigt) „unterm Arm“ aufgenommen wurde.
    Die Absurdität entsteht durch eine schlechte Formulierung, ergänzt durch MDK-Gutachter und Kassen, die sich dieser Lücken wider besseren Wissens bedienen mögen.Später wurde die Formulierung übrigens nachgebessert.
    Remco Salomé

  2. Dr. Florian Wölk am

    Vielen Dank für den Kommentar.
    Sicherlich sind viele Formulierungen von Abrechnungsvorgaben im OPS-Katalog verbesserungswürdig. Das BSG spricht nicht umsonst von einem lernenden System. Allerdings ist die Auslegung einer Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang dem juristischen „Methodenkoffer“ nicht fremd, so dass auch die Gerichte durchaus zum notwendigen Lernprozess beitragen können und nicht jeden Unsinn mit einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung rechtfertigen müssten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Florian Wölk

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