Haftungsfalle off label use?! – Ärztliche Pflichten bei der zulassungsüberschreitenden Arzneimitteltherapie

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Die Verwendung von zugelassenen Arzneimitteln außerhalb ihres Zulassungsbereichs (sog. off label use) ist in vielen Bereichen der Medizin üblich. Gerade in der Pädiatrie stehen kaum speziell für Kinder geprüfte und zugelassene Arzneimittel zur Verfügung, so dass der off label use vieler Medikamente dem Standard entspricht.

Mit dem Versorgungsdefizit und dem damit verbundenen Problem der fehlenden Arzneimittelsicherheit  gehen für die behandelnden Ärzte aber auch haftungsrechtliche Probleme einher.

Darum ist erfreulich, dass das OLG Dresden für einen pädiatrischen Behandlungsfall in einer aktuellen Entscheidung vom 15.05.2018 (- 4 U 248/16 -) erneut festgestellt hat, dass nicht jeder off label use in der Arzneimitteltherapie einen Behandlungsfehler darstellt.

Das Gericht weist zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Arzneimitteltherapie um eine ärztliche Behandlung, bei der der Arzt dem Patienten regelmäßig die fachgerechte, dem wissenschaftlichen Stand entsprechende Behandlung mit den dazugehörigen Sorgfaltspflichten schuldet. Insbesondere was den off label use eines Arzneimittels betrifft, so kann das Arzneimittel nach dem OLG Dresden dennoch angewandt werden, wenn entweder eine Erweiterung der Zulassung des jeweiligen Arzneimittels bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind, oder aber außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Ergebnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen im vorgenannten Sinn besteht. Vor allem, wenn das Medikament bereits über eine Zulassung für Erwachsene verfügt, kann es nach Ansicht des Gerichts dem pädiatrischen Standard entsprechen, dieses Medikament gleichwohl zu verwenden, wenn ausdrücklich für Kinder zugelassene Alternativmedikamente fehlen und im Rahmen einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung das Risiko der Nichtanwendung des Medikaments die Risiken ihres Einsatzes überwiegt (so auch OLG Naumburg, Urteil vom 11.07.2006 – 1 U 1/06 -). Unter Umständen kann dann nach der Entscheidungsbegründung des OLG Dresden sogar die Nichtverwendung des im off label use einzusetzenden Medikamentes behandlungsfehlerhaft sein.

Das Gericht betont in der Entscheidung aber auch, dass die Eltern des behandelnden Kinder über die zulassungsüberschreitende Arzneimitteltherapie aufzuklären sind und diese für das Kind in die Therapie einwilligen müssen. Für die ausreichende Aufklärung ist der behandelnde Arzt nach den allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet, was angesichts der Praxis der Aufklärung über die Arzneimitteltherapie gerade im Rahmen der Krankenhausbehandlung oft problematisch ist.

Die Entscheidung zeigt auf, dass der off label use in der Arzneimitteltherapie nicht per se eine Haftungsfalle ist. Lässt sich der off label use unter Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse und fehlender Behandlungsalternativen mit zugelassenen Arzneimitteln begründen, ist er auch haftungsrechtlich zu akzeptieren. Die Probleme im Aufklärungsbereich sind keine Besonderheit des off label use, sondern eher ein allgemeines Problem der Aufklärungspraxis über die Arzneimitteltherapie, was insbesondere im Rahmen der Krankenhausbehandlung gilt.

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