Patientenschutz und Konkurrentenklagen – Behandlerwechsel ist zumutbar!

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Mit zunehmenden Wettbewerbsdruck steigt auch die Zahl von Konkurrentenklagen im vertragsärztlichen System. Im Bereich der Ermächtigung nach § 116 SGB V oder anderer befristeter Statusakte wird bei Beanspruchung einer Verlängerung des Statusaktes von Seiten der Antragsteller gegenüber den Zulassungsgremien oft auch mit den Interessen der behandelten Patienten argumentiert, denen bei Auslaufen der Genehmigung ein unzumutbarer Patientenwechsel drohe.

Leider verfängt dieses Argument teilweise sogar bei überwiegend technischen Leistungen, wie insbesondere Entscheidungen in gerichtlichen Eilverfahren zur Dialyse zeigen (vgl. Landessozialgericht für das Saarland, Beschluss vom 05.05.2015 – L 3 KA 1/14 ER –; dazu BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27.05.2016 – 1 BvR 1890/15 –).

Umso erfreulicher ist eine aktuelle Entscheidung des Sächsisches Landessozialgericht vom 05.07.2017 (– L 1 KA 1/17 B ER –), mit der die aufschiebende Wirkung der Klage von niedergelassenen Ärzten gegen die Erteilung von Ermächtigungen für mehrere Krankenhausärzte nach § 116 SGB V wiederhergestellt worden ist.

Der Zulassungsausschuss hatte den Krankenhausärzten eine begrenzte Ermächtigung zur intravitrealen Medikamenteneingaben (IVM) bei Patienten mit einer altersbedingten feuchten Makuladegeneration (AMD) trotz festgestellter Überversorgung erteilt und diese maßgeblich damit begründet, dass die begrenzte Ermächtigung erforderlich sei, um den Umfang der bisherigen Leistungserbringung anzupassen, um die Fortsetzung der Behandlung für die bisherigen Patienten zu gewährleisten. Dabei sei nach dem Zulassungsausschuss zu bedenken, dass insbesondere für Patienten mit einer AMD der Erfolg der Behandlung mittels IVM und Kontrolluntersuchungen davon abhängig sei, dass diese konsequent und kontinuierlich, ggf. auch über Jahre, gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften durchgeführt werde und die Vergabe kurzfristiger Behandlungstermine gewährleistet sei. Schließlich komme hinzu, dass bei einem operativen Eingriff am Auge und damit einem der empfindlichsten Organe das Vertrauen in den Behandler eine große Rolle spiele. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten, um den Patienten, die bisher im Rahmen von Ermächtigungen behandelt wurden, eine Fortsetzung der Behandlung mit IVM-Leistungen zu gewährleisten.

Diesen Erwägungen ist das Sächsische Landessozialgericht mit begrüßenswerter Klarheit entgegengetreten.

Die Erwägung, dass die Behandlungsfallzahl der Ermächtigungen für IVM-Leistungen „dem Umfang der bisherigen Leistungserbringung anzupassen“ sei, um sicherzustellen, dass diejenigen Patienten, die bisher bei ermächtigten Krankenhausärzten behandelt wurden, auch künftig bei diesen Ärzten behandelt werden können, ist nach dem Gericht nicht dazu in der Lage, die Ermächtigung unabhängig von Kapazitätsengpässen im Bereich der niedergelassenen Ärzte zu rechtfertigen.  Mit der Formulierung „soweit und solange“ in § 116 Satz 2 SGB V hat der Gesetzgeber nach der Ansicht des Gerichts verdeutlicht, dass Ermächtigungen das Fortbestehen einer Versorgungslücke erfordern. Damit wird vorausgesetzt, dass die von ermächtigten Ärzten behandelten Patienten den Behandler wechseln müssen, sobald im Bereich der niedergelassenen Ärzte ausreichende Kapazitäten vorhanden sind. Ermächtigungen zur Fortsetzung der Behandlung der bisherigen Patienten ohne das Fortbestehen einer Versorgungslücke können nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen erteilt werden.

Zur Annahme eines solchen Ausnahmefalls reicht es nach dem Sächsischen Landessozialgericht nicht aus, dass Patienten mit einer AMD, die IVM-Leistungen benötigen, von vornherein kein Behandlerwechsel zuzumuten sei. Es handelt sich vielmehr um eine Krankheit, an der in Deutschland zumindest eine halbe Millionen Menschen leiden, sowie um eine Behandlung, die deutschlandweit jährlich hunderttausendfach und in aller Regel ohne gravierende Komplikationen durchgeführt wird. Es kann auch nicht argumentiert werden, dass meist ältere Patienten, die langjährig am Auge bzw. einem der „empfindlichsten Organe“ behandelt wurden, einem niedergelassenen Facharzt, der nach der entsprechenden Qualitätssicherungsvereinbarung zur Erbringung von IVM-Leistungen berechtigt ist, kein Vertrauen entgegenbringen könnten. Die Zulassungsgremien dürfen gerade nicht unterstellen, dass Krankenhausärzte kompetenter oder gar vertrauenswürdiger als niedergelassene Ärzte seien. Ebenso wenig ist der Wunsch von Versicherten, in einer Klinik behandelt zu werden, oder der Umstand, dass in allen Fällen Überweisungen von niedergelassenen Ärzten vorliegen, für die Begründung einer Ermächtigung von Bedeutung.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie noch einmal klarstellt, dass aus der befristeten Ermächtigung nach § 116 SGB V allein kein Anspruch auf eine weitere Genehmigung erwächst, wobei der nach Auslaufen des befristeten Statusaktes notwendige „Wechsel des Behandlers“ für den Patienten aus dem Wesen der Befristung folgt und damit weder dem gesetzlich versicherten Patienten unzumutbar ist noch dem betroffenen Arzt eine schutzwürdige Rechtsposition einräumen kann.

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