Keine rückwirkende Rückforderung der Aufwandspauschalen

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Im Zuge des neuen Verjährungsrecht des Pflegepersonalstärkungsgesetz haben zahlreiche Krankenkassen in Sammelklagen die Rückforderung von teilweise bereits im Jahr 2014 gezahlten Aufwandspauschalen geltend gemacht, weil auch zum damaligen Zeitpunkt angeblich lediglich Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit durchgeführt worden seien.

Diese merkwürdige Argumentation wird auch auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26.11.2018 (- 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17 und 1 BvR 2207/17 -) gestützt, wobei schon erstaunlich ist, dass die Krankenkassen nachträglich die angebliche Durchführung einer Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit behaupten, obwohl ihnen ein solches Prüfverfahren vor der Entscheidung des BSG vom 01.07.2014 (- B 1 KR 29/13 R -) völlig unbekannt war.

Diesen merkwürdigen Widerspruch im Verhalten der Krankenkassen hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 09.04.2019 (- L 11 KR 1359/18 -) auch zum Anlass genommen, eine entsprechende Klage einer Krankenkasse unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zurückzuweisen.

Nach Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V hatte nach dem Gericht das BSG ein dreistufiges Prüfverfahren mit unterschiedlichen Auskunfts- und Mitteilungspflichten entwickelt Dieses System haben die Beteiligten ohne weitere Differenzierung auf alle Prüfungen angewandt, was auch der Praxis in ganz Deutschland entsprach. Übereinstimmend wurde das Prüfregime des § 275 Abs .1 Nr. 1 iVm Abs. 1c SGB V danach auch auf die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit angewandt. Insbesondere auch die Beteiligten im vorliegenden Verfahren waren sich seinerzeit einig über die aus ihrer Sicht damals geltende, eine weitere Differenzierung nicht vorsehende Rechtslage. Sie gingen im Konsens von einer anderen Rechtsanwendung aus. Die Rechtsprechung des BSG im Jahr 2014 kam daher für die Beteiligten überraschend. Auch wenn die bisherigen Ausführungen des BSG nicht geeignet waren, schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, so wurden andererseits auch keine Zweifel an der Richtigkeit des von den beteiligten Akteuren zugrunde gelegten Verständnisses der Norm geweckt. Insbesondere waren die sachkundigen Beteiligten sich einig, dass auch bei Kodierungsprüfungen der den Krankenhäusern entstehende Aufwand pauschal abzugelten ist. Dies entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, wie die ab 01.01.2016 geltende Fassung des § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V belegt.

Vor dem Hintergrund dieses Konsenses der Beteiligten in Verbindung mit der damaligen Rechtsprechung erscheint es dem LSG Baden-Württemberg unbillig und damit treuwidrig iSd. § 242 BGB, in bereits abgeschlossenen Fällen, in denen die Aufwandspauschale ohne Vorbehalt gezahlt worden ist, und die weder durch eine Klage noch einen sonstigen Vorbehalt offengehalten worden sind, nunmehr die gezahlten Aufwandspauschale zurückzufordern.

Der Entscheidung ist angesichts der mehr als fragwürdigen Argumentation der Krankenkassen zu begrüßen und sollte auch von anderen Gerichten zur Erledigung der noch massenhaft anhängigen Verfahren übernommen werden. Ob das BSG dann in einem eventuellen Revisionsverfahren endlich anerkennt, dass seine Rechtsprechung zur sog. Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit eine echte Neuregelung darstellte, sollte zumindest diese Streitfrage endlich geklärt sein.

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