Beleidigter Sachverständiger ist nicht befangen?

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Eine aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz vom 22.05.2019 (- 4 W 172/19 -) zur möglichen Befangenheit eines gerichtlichen Sachverständigen hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Sachverständiger noch neutral seinem Gutachtenauftrag nachkommen kann, wenn der Sachverständige in einem Ergänzungsgutachten erklärt, dass er die „Tonart“ des Prozessbevollmächtigten einer Partei als ausgesprochen beleidigend empfinde und angekündigt, im Fall einer Anhörung den Gerichtssaal sofort zu verlassen, wenn er beschimpft werde.

Das Oberlandesgericht Koblenz sah in diesen Äußerungen kein Problem, weil der Sachverständige sich nach diesen einleitenden Klarstellungen noch sachlich mit den Einwendungen gegen sein Gutachten auseinandergesetzt habe.

Diese Ansicht des Gerichts muss überraschen und ist schwer nachzuvollziehen.

Es ist sicherlich nicht zu beanstanden, wenn sich auch ein gerichtlicher Sachverständiger mit deutlichen Worten gegen massive Angriffe zur Wehr setzen darf, weil allein die aggressive Rhetorik eines Beteiligten nicht dazu führen darf, eine Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen zu provozieren. Aber auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass selbst massive Angriffe gegen die Person des Sachverständigen nicht ersichtlich emotional hervorgerufene Gegenangriffe gegen die Prozessbevollmächtigten einer Partei rechtfertigen. Diese sind mit der Rolle des gerichtlichen Sachverständigen unvereinbar sind, der nun einmal aufgrund seiner prozessualen Stellung zur Zurückhaltung verpflichtet ist (vgl. dazu auch KG Berlin, Beschluss vom 06.09.2007 – 12 W 52/07 –).

Umso mehr ist letztlich unverständlich, wenn das OLG Koblenz ernsthaft die Ansicht vertritt, dass ein sich beleidigt fühlender Sachverständige, der sein emotionales Empfinden auch noch zum Gegenstand seiner schriftlichen Begutachtung macht, seine Neutralität dadurch dokumentiere, dass er sich mit den Einwendungen der Partei gegen sein Gutachten auseinandersetzt. Wie soll das Gericht oder die betroffene Partei bei einem solchen Sachverständigen entscheiden, ob seine Ausführungen Ergebnis einer sachlichen Prüfung oder seiner persönlichen Kränkung sind?

Wenn der gerichtliche Sachverständige dann noch zusätzlich ankündigt, dass er sich seiner Verpflichtung zur mündlichen Erörterung seiner Gutachten entziehen wird, wenn er „beschimpft“ würde, macht die Erfüllung seines Gutachtenauftrags letztlich unmöglich. Schließlich wird es keiner Partei im Rahmen der mündlichen Anhörung und kritischen Auseinandersetzung mit den gerichtlichen Gutachten zumutbar sein, sich einen an der persönlichen Empfindlichkeit des gerichtlichen Sachverständigen ausgerichteten „Maulkorb“ aufzuerlegen.

Der Beschluss des OLG Koblenz ist daher im Ergebnis unverständlich.

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