Vorrang der FPV bei Fallzusammenführung

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Leider beschäftigt die Rechtsprechung des BSG zum wirtschaftlichen Alternativverhalten die Krankenhäuser immer noch, weil die Krankenkassen vermehrt Fallzusammenführungen verlangen, selbst wenn die Fallzusammenführung nach den Regelungen des § 2 Fallpauschalenverordnung (FPV) ausdrücklich ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hatte sich dieses Problems durch die Einfügung des § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG zum 01.01.2019 mit dem Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz) bereits angenommen, wonach in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig ist. Diese Regelung entfaltet allerdings keine Rückwirkung für Altfälle (vgl. BSG, Urteil vom 19.11.2019 – B 1 KR 6/19 R –).

Allerdings ist durch das Sächsische Landessozialgericht bereits in einer Entscheidung vom 13.02.2019 (- L 1 KR 315/14 -) klargestellt worden, dass wenn auf der Grundlage der FPV  eine ausdrückliche, auf allgemeinen wirtschaftlichen und medizinischen Erwägungen beruhende Regelung für eine bestimmte Fallgestaltung getroffen ist, sich die Krankenkassen im Rahmen der Auffälligkeitsprüfung nicht darauf berufen können, dass die Anwendung dieser Regelung im konkreten Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt.

Denn in den Regelungen der FPV haben die Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG eine Ausschlussregelung für die Fallzusammenführung getroffen, die auf Wirtschaftlichkeitserwägungen beruht und damit das Wirtschaftlichkeitsgebot mit normativer Wirkung konkretisiert. Die Regelung in § 2 FPV ist danach Bestandteil des durchgängigen, leistungsorientierten und pauschalierenden Vergütungssystems nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG, das nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in Normenverträgen zu vereinbaren, weiterzuentwickeln und anzupassen haben. Zu den Abrechnungsbestimmungen gehören Regelungen über die Fallzusammenführung, die das Gesetz in § 8 Abs. 5 KHEntgG für Wiederaufnahmen wegen Komplikationen verlangt und den Vertragsparteien dabei ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, Abweichendes vorzusehen. Hinter dieser Ausnahme von dem Grundsatz, dass für jeden Krankenhausaufenthalt eine Fallpauschale abrechenbar ist, stehen Erwägungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Wie jedem untergesetzlichen Normgeber kommt auch den Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG ein Gestaltungsspielraum zu, den die Gerichte zu respektieren haben. Dabei sperrt sich das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht gegen untergesetzliche Normgebung. Vielmehr kann der Gestaltungsspielraum untergesetzlicher Normgeber auch normative Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebots umfassen.

Auf dieser Grundlage haben die Vertragsparteien in § 2 FPV vereinbart, wann mehrere Krankenhausaufenthalte als ein Fall abzurechnen sind. Ohne ihren Gestaltungsspielraum zu überschreiten, haben sie die Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall, die § 8 Abs. 5 KHEntgG für Wiederaufnahmen wegen Komplikationen vorgibt, auf andere Wiederaufnahmen ausgedehnt, bei denen die Vertragsparteien in typisierender Betrachtungsweise ebenfalls von einem medizinisch nicht gerechtfertigten Fallsplitting ausgegangen sind. Die Fallzusammenführung erfolgt dabei unabhängig davon, ob die Unterbrechung zwischen den beiden Aufenthalten im konkreten Einzelfall medizinisch gerechtfertigt ist. Das Krankenhaus kann bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 2 FPV gegen die Fallzusammenführung im Abrechnungsstreit nicht einwenden, dass zwei Aufenthalte medizinisch gerechtfertigt waren und entsprechende Mehrkosten verursacht haben. In einem zweiten Schritt haben die Vertragsparteien in § 2 FPV Fallgruppen gebildet, in denen trotz Vorliegen der Voraussetzungen der § 2 FPV keine Fallzusammenfassung erfolgt. Dabei haben sie in pauschalierender Betrachtungsweise Fallpauschalen benannt, bei denen sie davon ausgehen, dass typischerweise zwei oder mehrere Krankenhausaufenthalte statt eines einzigen Aufenthalts medizinisch und wirtschaftlich gerechtfertigt sind, nämlich in Bezug auf Komplikationen bei bestimmten onkologischen Behandlungen und im Übrigen bei Kennzeichnung entsprechender Fallpauschalen in Spalte 13 bzw. 15 des Fallpauschalen-Katalogs. Wird in der FPV eine ausdrückliche, auf allgemeinen wirtschaftlichen und medizinischen Erwägungen beruhende Regelung für eine bestimmte Fallgestaltung getroffen, so kann sich die Krankenkasse im Rahmen der Auffälligkeitsprüfung nicht darauf berufen, dass die Anwendung dieser Regelung im konkreten Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt. Eine andere Sichtweise würde die gesetzlich vorgesehene und gewünschte Pauschalierung der Abrechnungsbestimmungen konterkarieren. Es geht nach Ansicht des Gerichts nicht an, auf der einen Seite eine pauschalierende Vorschrift zu Lasten der Krankenhäuser auch dann anzuwenden, wenn zwei Aufenthalte medizinisch erforderlich waren, auf der anderen Seite aber zugunsten der Krankenkassen gegen die gleiche pauschalierende Vorschrift eine Berufung auf die Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall zuzulassen.

Diesen sehr überzeugenden Ausführungen ist wenig hinzuzufügen, wobei neuere Entscheidungen allerdings darauf hinweisen, dass dann auch die jeweiligen Voraussetzungen des § 2 FPV für die Fallzusammenführung vorliegen müssen und die Ausnahmen nur die Fallzusammenführung nach § 2 Abs.1 und 2 FPV gelten können ( so etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.07.2020 – L 10 KR 276/19  –). Warum aber die in § 2 FPV definierten Ausnahmen von der Fallzusammenführung nicht auch auf die allgemeinen Fallzusammenführung aufgrund des wirtschaftlichen Alternativverhaltens anzuwenden sein sollten, erschließt sich nicht.

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