Zu den Anforderungen an die Begründung der Letztentscheidung der Krankenkasse
2Derzeit wird zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen viel um die Anforderungen der geforderten medizinischen Begründungen gestritten, die den Krankenkassen in der Regel nicht ausreichen. Dies kann aber auch für die Begründung der Letztentscheidung der Krankenkasse im Prüfverfahren gelten.
Das SG Berlin hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu den konkreten Anforderungen an die Begründung der Letztentscheidung der Krankenkasse zum Abschuss des Prüfverfahrens nach § 8 PrüfvV geäußert. Die nicht ausreichende Begründung führte vorliegend dazu, dass die Krankenkasse die Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 PrüfvV nicht mehr gewahrt hatte.
In der Letztentscheidung kam die Krankenkasse unter Bezugnahme auf ein Gutachten des MD zu dem Ergebnis, dass „diverse OPS gestrichen werden müssen“. Der MD führte in seinem Gutachten aus, dass an mehreren Tagen der OPS 9-619 nicht belegt sei, und begründete dies damit, dass keine Intensivbehandlung bei Vorliegen von ≥ drei Merkmalen je Tag durchgeführt und belegt sei. Welche Intensivmerkmale nicht belegt seien, konkretisierte weder der MD in seinem Gutachten noch die Krankenkasse in ihrer Leistungsentscheidung. Diese Angaben genügen zur Überzeugung des SG Berlin nicht den Anforderungen an eine wesentliche Begründung nach § 8 PrüfvV.
Dies folgt nach Ansicht des Gerichts aus der Anwendung der maßgeblichen Auslegungsgrundsätze. Die Auslegung der normenvertraglichen Bestimmungen der PrüfvV unterliegt den allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die für Abrechnungsbestimmungen geltenden Einschränkungen im Sinne einer eng am Wortlaut orientierten, nur durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung gelten nicht (so auch BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 34/20 R –). Bei der Auslegung von Normenverträgen ist nicht auf den subjektiven Willen der an der Normsetzung Beteiligten abzustellen, sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung, die umfassend zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 28.08.2024 – B 1 KR 33/23 R –).
Für den Umfang der wesentlichen Begründung hat das SG Berlin vor allem auf den Sinn und Zweck der PrüfvV abgestellt, der die Beschleunigung und Bündelung des Abrechnungsstreites im Blick hat (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 36/20 R –). Vor diesem Hintergrund sollte nach Auffassung der Richter in Berlin die Mitteilung der wesentlichen Gründe das Krankenhaus in die Lage versetzen, prüfen zu können, ob sie die Leistungsentscheidung der Krankenkasse akzeptieren und den Erstattungsanspruch erfüllen oder in ein streitiges Verfahren eintreten möchte. Um diese Prüfung sinnvoll durchführen zu können, muss das Krankenhaus die streitigen Intensivmerkmale kennen und die wesentlichen Gründe, aus denen diese nach der Überzeugung der Krankenkasse nicht erfüllt sein sollen. Nur dann kann das Krankenhaus seine Dokumentation einer kritischen Würdigung unterziehen und eine Erfüllung des Erstattungsanspruchs prüfen. Wenn nicht bekannt ist, welche Intensivmerkmale streitig sind, und warum diese nicht erfüllt sein sollen, wird das Krankenhaus in ein streitiges Verfahren gezwungen, wenn es die Forderung nicht blind anerkennen will.
Dabei ist der Krankenkassen einzuräumen, dass in einer Leistungsentscheidung grundsätzlich ein Verweis auf die Begründung des MD den Anforderungen an eine wesentliche Begründung genügen kann, wenn das MD-Gutachten dem Krankenhaus zugeht und die Begründung des MD ausreichend ist. Allerdings war letzteres gerade nicht der Fall.
Die Entscheidung führt begrüßenswerter Weise dazu, dass nicht allein die Krankenkassen immer wieder auf die unzureichenden Begründungen der Krankenhäuser verweisen dürfen, sondern sich auch die Krankenkassen Gedanken darüber machen müssen, dass der Verweis auf schlecht oder teilweise gar nicht begründete Ansichten des MD für sie nachteilige Folgen haben kann.
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Eine gute Entscheidung des SG Berlin. Viele Krankenkassen kopieren bei ihrer leistungsrechtlichen Entscheidung einfach die Passagen aus dem Gutachten des MD.
Sehr geehrte Frau Meise,
Danke für den Kommentar.
Leider wird allein der Verweis auf die Stellungnahme des MD nicht zu einer unzureichenden Begründung führen, denn auch das SG Berlin lässt diese Bezugnahme reichen, wenn sie verständlich ist. Schwierig wird die Situation für die Krankenkassen nur dann, wenn die Krankenkassen in der Letztentscheidung lediglich eine unverständliche bzw. unzureichende Begründung des MD wiederholt, was unserer Ansicht nach auch oft genug der Fall ist.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Wölk