Auch SG Aachen verneint Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen für Aufwandspauschalen

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Die Problematik der massenhaften Rückforderung in der Vergangenheit gezahlter Aufwandspauschalen beschäftigt nach wie vor die Gerichte, wobei die Krankenkassen die teilweise widerstreitenden Entscheidungen sicherlich bald vor den 1. Senat des BSG bringen werden. Wie der 1. Senat des BSG mit diesen Klagen aufgrund seiner vielkritisierten Rechtsprechung zur Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V umgehen wird, bleibt abzuwarten.

Derzeit scheint sich allerdings in der überwiegenden Rechtsprechung der Sozilagerichte die Linie herauszukristallisieren, dass zumindest vor der Entscheidung des BSG vom 01.07.2014 (- B 1 KR 29/13 R – u.a.) ein Anspruch der Krankenkassen auf Rückzahlung der Aufwandspauschalen wegen angeblich durchgeführter sachlich-rechnerischer Berichtigungen vereint wird (so bereits LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.04.2019 – L 11 KR 1359/13 R –).

Dies bestätigt eine aktuelle Entscheidung des SG Aachen vom 14.05.2019 (- S 13 KR 533/18 -), die auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BSG und die darauf folgenden Interventionen des Gesetzgebers zur Aufwandspauschale nach § 275 Abs.1c Satz 3 SGB V im Rahmen der Entscheidung noch einmal sehr detailliert und überzeugend aufbereitet und nicht mit Kritik an der zitierten Rechtsprechung des BSG zur Differenzierung zwischen sachlich-rechnerischer Berichtigung und Auffälligkeitsprüfung spart. Dabei nimmt das Gericht sogar an, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26.11.2018 (- 1 BvR 318/17 – u.a.) einer Verwerfung der BSG-Rechtsprechung nicht entgegenstehen, weil diese Entscheidung lediglich den Anspruch auf des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale betreffen, nicht aber den angeblichen Rückerstattungsanspruch der Krankenkassen, was sicherlich ein nur schwer begründbarer Argumentationsansatz ist.

Nicht zu beanstanden ist allerdings, wenn das SG Aachen wie das LSG Baden-Württemberg davon ausgeht, dass es zumindest gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, wenn die Krankenkassen und Krankenhäuser über Jahre gemeinschaftlich von einem einheitlichen Prüfregime ausgingen und nach den gesetzlichen Vorgaben auch die Aufwandspauschale entsprechend handhaben, um dann unter Hinweis auf die Rechtsprechungsänderung des BSG rückwirkend die in der Vergangenheit vorbehaltslos gezahlten Aufwandspauschalen zurückzuverlangen.

Dieser Begründungsansatz muss auch angesichts der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts überzeugen, was demnächst wohl vom 1. Senat des BSG zu entscheiden sein wird. Hier bleibt zu hoffen, dass auch die Richter des 1. Senates des BSG ein Einsehen haben werden und zugeben, dass im Juli 2014 eine Änderung der Rechtsprechung vorgenommen worden ist, was die Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen für die Jahre davor erledigen dürfte.

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Meinungen zu diesem Beitrag

  1. Dr. Jacqueline Voges am

    Derartige massenhafte Einzelklagen von jeweils geringem Streitwert bei repetitiv gleichartigen formalen Begründungen zeigen einmal mehr, daß es höchste Zeit wird, ein Äquivalent zur Musterfeststellungklage im Zivilrecht auch im Sozialrecht zu schaffen.

    Beste Grüße Dr. Jacqueline Voges

  2. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrte Frau Dr. Voges,

    die Massenklagen für Streitwerte von 300,00 € sind für alle Beteiligten unsinnig. Sie überlasten die Gerichte und verursachen auch für die Krankenkassen mehr Kosten als die Klagen am Ende einbringen. Die Musterfeststellungsklage dürfte aber kein Instrument sein, diesem Unsinn zu begegnen. Es würde schon ausreichen, wenn der Gesetzgeber klare und eindeutige Regelungen für das Prüfverfahren schafft und der 1. Senat des BSG sich nicht als „Ersatzgesetzgeber“ verstände.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Wölk

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