Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen bei Tätigkeit als Privatgutachter

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Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit auch dann abgelehnt werden kann, wenn er für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einer gleichartigen Fragestellung erstattet hat (BGH, Beschluss vom 10.01.2017 – VI ZB 31/16 –).

Im entschiedenen Fall ging es um die Bestellung eines Sachverständigen zur Frage der Fehlerhaftigkeit einer implantierten Hüftprothese aufgrund übermäßigen Metallabriebs. Der Sachverständige hatte in einem anderen gerichtlichen Verfahren ein entgeltliches Privatgutachten zur gleichen Fragegestellung für einen der dortigen Prozessparteien erstellt.

Eine solche Tätigkeit als Privatgutachter in einem anderen Verfahren hatten andere Gerichte in der Vergangenheit nicht für die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit ausreichen lassen (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 23.03.2015 – I-5 W 4/15 –).

Der BGH hat mit der Entscheidung vom 10.01.2017 diesen Auffassungen aber eine Absage erteilt.

Nach dem BGH ist trotz der objektiven Pflichtenlage des gerichtlichen Sachverständigen vom Standpunkt des Ablehnenden die Befürchtung der fehlenden Neutralität des Gutachters zumindest plausibel. Entscheidend ist, dass auch bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht des Ablehnenden die Befürchtung im Raum steht, dass der Sachverständige kaum von seinem früheren Privatgutachten abweichen oder sich gar zu diesem in Widerspruch setzen wird.

Nach dem BGH kann zwar von einem Sachverständigen erwartet werden, dass er bereit ist, seine zuvor gewonnene Überzeugung zu überprüfen und ggf. zu korrigieren, so dass die Ablehnung eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen, der in einem vergleichbaren gerichtlichen Verfahren ebenfalls ein Gutachten erstattet hat, grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist. Im Falle seiner Beauftragung mit einem Privatgutachten mit einer der an der jeweiligen Streitigkeit beteiligten Personen ist der gerichtliche Sachverständige aber anders als beim gerichtlichen Auftrag vertraglich verbunden. Beurteilt er diesen Sachverhalt später anders, so setzt er sich möglicherweise dem Vorwurf seines früheren Auftraggebers aus, das Privatgutachten nicht ordnungsgemäß erstattet oder sonstige vertragliche Pflichten verletzt zu haben. Diesem Vorwurf seines Auftraggebers kann der Sachverständige sich auch dann ausgesetzt sehen, wenn an der Streitigkeit, in der er später als Gerichtssachverständiger tätig wird, andere Personen beteiligt sind, es aber um einen gleichartigen Sachverhalt und eine gleichartige Fragestellung geht. Dies gilt nach dem BGH jedenfalls dann, wenn die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren. Die Möglichkeit eines Konflikts des Sachverständigen zwischen Rücksichtnahme auf den früheren Auftraggeber und der Pflicht zu einer von der früheren Begutachtung losgelösten, objektiven Gutachtenerstattung im Auftrag des Gerichts ist nach Ansicht des BGH geeignet, das Vertrauen des Ablehnenden in eine unvoreingenommenen Gutachtenerstattung zu beeinträchtigen.

Diese überzeugenden Ausführungen des BGH sind zu begrüßen und können zukünftig Interessenskonflikte von gerichtlichen Gutachtern aus ihrer Tätigkeit als Privatgutachter vermeiden. Dabei ist gerade für die Sachverständigen aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 407a Abs. 2 ZPO wichtig, solche Interessenkonflikte frühzeitig anzuzeigen.

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