Beweispflicht für die Durchführung der Behandlung ohne Dokumentation?

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Teilweise führen Vergütungsrechtsstreitigkeiten über die ärztliche Honorare in groteske Situationen, wie eine Entscheidung des Landgerichts Frankenthal vom 14.12.2022 (- 2 S 46/22 -) zeigt. Streitgegenständlich war der Vergütungsanspruch für eine ambulante privatärztliche Behandlung eines Patienten in einem großen Universitätsklinikum, in deren Verlauf auf mehrere CT-Aufnahmen gemacht worden sind. Der Patient hatte schlicht bestritten, dass die Behandlung durchgeführt worden seien und er sich an den betreffenden Tagen im Krankenhaus überhaupt aufgehalten habe. Bzgl. der vorgelegten Dokumentation hat der Patient auf die Möglichkeit einer Verwechselung hingewiesen.

Erstaunlicherweise hat das Gericht auch im Berufungsverfahren diesen Vortrag für ausreichend gehalten und hielt das Beweisangebot bzgl. der Tatsache, dass sich aus einer sachverständigen Auswertung der Behandlungsunterlagen ergeben, dass die Behandlung am beklagten Patienten durchgeführt worden sind, nicht für ausreichend.

Der Patient habe vielmehr glaubhaft dargelegt, dass es im Krankenhaus öfter zu Terminverschiebungen und Verwechslungen gekommen sei, so dass nicht sicher sei, dass sich die gesamte Dokumentation tatsächlich auf den Patienten beziehe. Weitere Darlegungen – etwa wo der Patient sich denn angeblich aufgehalten habe – seien dem beklagten Patienten nicht zumutbar.

Die ärztliche Dokumentation der Behandlung des Patienten beweise nach Ansicht des Gerichts nicht, dass die Behandlung auch wirklich an diesem Patienten vorgenommen worden sei. Dies könne auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht überprüft werden. Auch die allgemeinen Pflichten und Regelungen zur Dokumentation der Behandlung nach § 630f BGB, § 630h BGB begründen diesbezüglich keine beweisrechtliche Indizwirkung zugunsten der Dokumentation, die auch widerlegt sei, wenn der Patient bestreitet, dass sich die Dokumentation auf ihn beziehe. Dokumente, welche die Anwesenheit des Patienten während der Behandlungen belegen könnten (etwa eine unterzeichnete Anwesenheitsbestätigung), habe der klagende Arzt nicht vorgelegt.

Die absurde Entscheidung dürfte eine Einzelfallentscheidung bleiben, die eher unter der Kategorie gerichtliche Kuriositäten einzuordnen ist. Denn allein der Hinweis auf eine mögliche Verwechselung kann kaum dazu führen, dass die beweisrechtliche Funktion der ärztlichen Dokumentation völlig negiert wird. Die absurde Annahme des Gerichts würde etwa in einem Arzthaftungsprozess dazu führen, dass die Beweiswirkung der Dokumentation leerläuft, wenn der Patient schlicht behauptet, dass die Dokumentation sich gar nicht auf seine Behandlung beziehe und dazu auf das allgemeine Verwechselungsrisiko in Krankenhäusern verweist. Würde sich diese völlig verfehlte Auffassung durchsetzen, wäre die Behandlerseite in einer nicht mehr behebbaren Beweisnot, weil erfahrungsgemäß ein Zeugenbeweis in diesen Situationen völlig untauglich ist, weil kaum ein Arzt als Zeuge nach Jahren bestätigen kann, dass es sich bei der Prozesspartei genau um den Patienten handelt, an dem die Behandlung vorgenommen worden ist. Gerade deshalb dürfen sich Ärzte auch auf die beweisrechtliche Funktion der ärztlichen Dokumentation berufen.

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Meinungen zu diesem Beitrag

  1. Eine interessante Rechtsauslegung, in der Tat! Das würde bedeuten, dass Patienten erkennungsdienstlich behandelt werden müssten; zumindest Fingerabdrücke oder ein biometrisches Foto werden zur Beweissicherung gebraucht. O Tempora, o Mores!
    Vielen Dank übrigens für Ihr spannendes Blog, das hoffentlich im kommenden Jahr fortgeführt wird!

  2. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrter Herr Salmoé,

    leider bleiben uns solche merkwürdigen Entscheidungen weder in der Gesetzgebung noch durch die Rechtsprechung nicht erspart. Manchmal zweifelt man doch am gesunden Menschenverstand, wenn man länger im Gesundheitsrecht arbeitet.

    Wir werden uns aber – trotz aller Belastung – aber auch im kommenden Jahr bemühen, den Blog fortzuführen.

    Ihnen auch für Ihre Arbeit weiter gutes Gelingen und einen guten Start in das kommende Jahr.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Wölk

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