Weiterer Streit zur Abrechnung der neurologischen Komplexbehandlung
0Immer noch wird vor den Sozialgerichten lebhaft über die Abrechnung des OPS-Kode 8-98b infolge der Entscheidung des BSG vom 19.06.2018 (- B 1 KR 39/17 R -) gestritten. In den immer noch anhängigen Verfahren berufen sich die Krankenkassen neuerdings auf einen Beschluss des SG München vom 25.06.2020 (- S 12 KR 1865/18 -), mit dem das Gericht die Fragen der Verfassungsmäßigkeit des § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der Fassung des Pflegepersonalstärkungsgesetz vom 11.12.2018 nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Die 12. Kammer hat offenbar ernsthafte Zweifel, ob die rückwirkende Klarstellungsbefugnis zur Auslegung der OPS-Kodes durch das ehemalige DIMDI mit den Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 87 Abs. 3 GG zu vereinbaren ist.
Dagegen hatte die 15. Kammer des Sozialgerichts München in einer Reihe von Entscheidungen, solche Zweifel nicht und die Abrechnungen der Krankenhäuser zur Abrechnung der neurologischen Komplexbehandlung überwiegend bestätigt.Das Gericht hatte dabei auch der Auslegung des OPS-Kode 8-98b durch das BSG widersprochen und auf der Grundlage einer strengen Wortlautauslegung klargestellt, dass der OPS-Kode 8-98b die Transportentfernung nicht räumlich, sondern allein zeitlich, und zwar im Sinne von halbstündlich zwischen Rettungstransportbeginn und -ende. In diesem Wortlaut sind nach dem SG München weder eine Rettungskette, noch Vorbereitungs- oder Rüstzeiten sowie Anflug- oder Anfahrtzeiten enthalten, weil alle diese Zeiten nicht auf den Transport des Patienten bezogen sind (so etwa SG München, Gerichtsbescheid vom 27.04.2020 – S 15 KR 2443/18 –). In einer anderen Entscheidung hatte das SG München die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG sehr deutlich abgelehnt und deutlich gemacht, dass die Sicherstellung der Schlaganfallversorgung ein überwiegender, zwingender Grund des Gemeinwohls ist, welcher auch eine echte rückwirkende Regelung rechtfertigt, zumal die grundrechtliche Bedeutung der Krankenhausstreitigkeiten eher gering ist, die Schlaganfallversorgung der Bürger aber unmittelbar die Grundrechte jedes einzelnen potentiell betroffenen Bürgers nach Art. 2 Abs. 2 GG betrifft. Die Erlaubnis der Klarstellung der Bedeutung des Norminhalts ist nach dem SG München insoweit auch eine geeignete und notwendige, zudem verhältnismäßige Maßnahme, um das Ziel – Sicherstellung der Schlaganfallversorgung – zu erreichen (SG München, Gerichtsbescheid vom 30.03.2020 – S 15 KR 2433/18 –) .
Ähnlich hat sich nun auch das SG Saarland in einer Entscheidung vom 24.06.2020 (– S 1 KR 556/19 –) zugunsten des Krankenhaus positioniert.
Welchen Wert diese Entscheidungen haben werden, wenn das Bundesverfassungsgericht die rückwirkende Möglichkeit des ehemaligen DIMDI nach § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V als verfassungswidrig ansieht, bleibt abzuwarten. Es zeigt sich mehr und mehr, dass die mehr als defizitäre Gesetzgebung im Bereich der Prüfung von Krankenhausabrechnungen zu einer weiteren Belastung aller Beteiligten wird. Umso mehr ist zu wünschen, dass sich zumindest auf der Ebene der neuen Prüfverfahrensverordnung wieder eine Konsenskultur zwischen den Beteiligten etabliert und dort sachgerechte Regelungen gefunden werden. Allerdings scheint angesichts der öffentlichen Äußerungen der Beteiligten, diese Hoffnung vergeblich. Die gesamte Entwicklung wird sicherlich nicht zu einer Entlastung der Sozialgerichte führen.
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