Wirksamkeit der Stellvertretervereinbarung bei Wahlleistungen
0Ein Dauerstreitpunkt zwischen den privaten Krankenversicherungen und den Krankenhäusern ist nach wie vor, unter welchen Bedingungen bei der Inanspruchnahme von wahlärztlichen Leistungen mit dem Patienten eine Vertretung vereinbart werden kann. Derzeit werden seitens der Krankenversicherung teilweise mit sehr allgemeinen Einwänden die Wirksamkeit der Stellvertretervereinbarung mit dem Patienten bestritten, wobei immer wieder beanstandet wird, dass der Grund für die angebliche Verhinderung des Wahlarztes in den Vereinbarungen nicht angegeben worden sei, auch wenn dies vom BGH in der grundlegenden Entscheidung vom 20.12.2007 (- III ZR 144/07 -) nicht für erforderlich gehalten worden ist.
Dies hat auch das LG Hamburg in einem Urteil vom 27.04.2022 (– 336 O 141/21 –) noch einmal bestätigt.
Nach der Rechtsprechung des BGH in kann sich der Wahlarzt durch eine schriftlich geschlossene Individualvereinbarung mit dem Patienten von seiner Pflicht zur persönlichen Leistung befreien und deren Ausführung einem Stellvertreter übertragen, wobei der BGH aufgrund der besonderen Situation, in denen sich Patienten im Zusammenhang mit ihrer Behandlung und der Sorge um ihre Gesundheit oder gar Überleben vor Abschluss einer solchen Vereinbarung befinden, die Wirksamkeit an besondere Anforderungen, insbesondere bzgl. der Aufklärung des Patienten, knüpft.
Die streitgegenständlichen Vereinbarungen enthielten die von der Rechtsprechung des BGH geforderten Hinweise und Aufklärungen. Sie enthielten insbesondere den Hinweis darauf, dass der Wahlarzt persönlich in einem konkret benannten Zeitraum – wobei diese Daten individuell eingetragen waren – „aufgrund von anderweitigen Verpflichtungen persönlich nicht verfügbar“ sei und deshalb die ärztlichen Leistungen bei der Behandlung nicht persönlich werde ausführen können. Ferner war darin der Hinweis enthalten, dass die Operation bis zur Rückkehr des Wahlarztes verschoben werden könne bzw., dass eine Verschiebung des Eingriffs bis zur Rückkehr des Wahlarztes medizinisch nicht vertretbar sei. Die Vereinbarung enthielt weiter die Aufklärung darüber, dass der Patient bei der – in den Vereinbarungen angekreuzten Option, dass eine Verlegung des Operationstermins nicht gewünscht sei – die Wahlmöglichkeit habe, die ärztliche Leistungen als allgemeine Krankenhausleistungen, d.h. ohne Wahlarztvereinbarung zu erhalten, mit der Erläuterung, dass dann kein Anspruch auf Behandlung durch einen bestimmten Arzt besteht und die ärztlichen Leistungen von dem jeweils diensthabenden Arzt erbracht werden, oder die Möglichkeit habe, die ärztlichen Leistungen von dem Stellvertreter des Wahlarztes zu erhalten.
Die Vereinbarung unterliegt nach Ansicht des LG Hamburg dabei nicht der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB. Insoweit hat der BGH in Bezug auf eine vergleichbare Stellvertretervereinbarung ausgeführt, dass auch eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein kann, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat, sofern der Vertragspartner durch die Auswahlmöglichkeit den Gehalt der Regelung mitgestalten kann und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise überlagert wird.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Vereinbarungen durch die diverse Ankreuzmöglichkeiten gekennzeichnet mehrere Optionen zur Wahl stellte, nämlich wie in dem vom BGH entschiedenen Fall den „Verzicht auf die wahlärztliche Behandlung, Behandlung durch den Vertreter zu den Bedingungen der Wahlleistungsvereinbarung und gegebenenfalls Verschiebung der Operation“ und eine Beeinflussung der Beklagten, sich für eine der Varianten zu entscheiden, nicht erkennbar ist (BGH, Urteil vom 20.12.2007 – III ZR 144/07 -). Letzteres ist auch hier nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Soweit dagegen eingewendet wird, Grund und Dauer der Verhinderung seien in der Vereinbarung nicht mitgeteilt worden und es sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass überhaupt eine Verhinderung des Klägers vorgelegen habe, führt dies nach der Auffassung des Gerichts nicht zu einer anderen Betrachtung. Ungeachtet der Frage, ob dies zur Wirksamkeit erforderlich ist, war die Dauer der Verhinderung in den Stellvertretervereinbarungen jeweils angegeben. Auf die Angabe des konkreten Grundes kam es nicht an, da es für die Entscheidung des Patienten, wie er mit Mitteilung einer Verhinderung des Wahlarztes bei dem vorgesehenen Eingriff umgeht, für den Patienten in erster Linie maßgeblich ist, ob bzw. dass der Wahlarzt verhindert ist, nicht warum. Sollte dies für die persönliche Entscheidung des Patienten anders sein, etwa aus den von der Beklagten allgemein vorgetragenen Gründen, dass dies etwa in Bezug auf die Verschiebung eines Eingriffes eine Rolle spielen kann, ist dem jedenfalls im konkreten Fall durch die Angabe der jeweils konkreten Dauer der Verhinderung des Klägers genüge getan. Soweit die hinter dem Patienten stehende Krankenversicherung meint, es sei für den Patienten auch bedeutsam, den Grund der Verhinderung zu erfahren, insbesondere, falls die Verhinderung daran liege, dass der Wahlarzt seine Tätigkeit schlicht einem anderen Patienten gegenüber erbringe, hat der Patient die Möglichkeit, dies durch Befragung in Erfahrung zu bringen, wenn dies für seine individuelle Entscheidung tatsächlich von Bedeutung ist. Dass dies im konkreten Fall erfolglos geschehen ist, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich.
Angesichts der vor den streitgegenständlichen Eingriffen abgeschlossenen Stellvertretervereinbarungen ist es letztlich auch unerheblich, ob der Wahlarzt bei den Operationen tatsächlich verhindert war. Denn der Patient wurde hier von dem Arzt behandelt, auf den sich die vertraglichen Absprachen von Anfang an bezogen hatten. Insoweit ist unstreitig, dass die Eingriffe von dem in den Stellvertretervereinbarungen jeweils genannten Arzt durchgeführt wurden.
Die Entscheidung ist zu begrüßen und stellt zutreffend auf die Entscheidungssituation des Patienten ab, dessen Interesse es im Falle der wie auch immer begründeten Verhinderung des Wahlarztes immer noch sein wird, eine Behandlung durch den bestqualifizierten vorhandenen Arzt sicherzustellen und nicht allein die Allgemeinen Krankenhausleistungen in Anspruch zu nehmen. Denn genau für diese Situation unterhält der Patient im Regelfall eine teure Zusatzversicherung, die anders faktisch leerliefe.
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