Zur neuen GOÄ – 4 – Medizinische Notwendigkeit und Verlangensleistung
0Im aktuellen Entwurf der GOÄ findet sich auch eine weitgehende Änderung des § 1 Abs. 2 GOÄ. Bedauerlicherweise ist auch dieser Entwurfstext wenig durchdacht und birgt mehr Probleme für die Zukunft, als durch die Neufassung gelöst werden. Ein Fortschritt ist auch diese Vorschrift nicht.
Die neue Vorschrift des § 1 Abs. 2 GOÄ-E lautet:
„Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind, und die gemäß Berufsordnung der (Landes-)Ärztekammer erbracht werden. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf der Arzt nur berechnen oder beauftragen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind (Verlangensleistungen). Vor dem Erbringen von Leistungen, deren Kosten erkennbar nicht von einer Krankenversicherung oder von einem anderen Kostenträger erstattet werden, müssen Ärzte die Patienten in Textform über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber informieren, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben oder nicht sicher ist. Empfehlungen der Gemeinsamen Kommission nach § 11a BÄO sind zu beachten.„
Die Bundesärztekammer war offenbar bemüht, die medizinische Notwendigkeit nicht nur wie nach der bisherigen Rechtslage an die objektiven Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu orientieren, sondern auch an berufsrechtlichen Vorgaben durch die einzelnen ärztlichen Berufsordnungen. Der berufsrechtliche Bezug hat aber in der gebührenrechtlichen Bewertung wenig zu suchen. Die Verbindung zwischen dem staatlichen Preisrecht und dem ärztlichen Berufsrecht auf die Ebene der Berechnungsfähigkeit von Honoraren zu heben, ist verfehlt. Denn es sind zwei sehr unterschiedliche Dinge, ob nach staatlichen Preisrecht ein Arzt ein Honorar berechnen darf und ob dies ggf. für ihn berufsrechtlich zulässig ist. Nicht jeder berufsrechtlicher Verstoß kann und sollte dazu führen, dass ein vollständiger Vergütungsausschluss besteht, abgesehen davon, dass sich auch andere medizinische Leistungserbringer an die GOÄ halten müssen, ohne dass diese dem ärztlichen Berufsrecht unterliegen.
Im Übrigen stellt sich die Frage, welchen Sinn die wirtschaftliche Aufklärung macht, die bereits in § 630c Abs. 3 BGB explizit geregelt ist und dabei sogar eine Art „Kostenvoranschlag“ verlangt, dessen Sinn sich nicht erschließt, denn gerade die Unvorhersehbarkeit eventuell weiterer Behandlungsmaßnahmen macht „Kostenschätzungen“ bei komplexen Erkrankungen am Anfang der Behandlung schwierig. Welchen Sinn macht diese Regelung, wenn eine verlässliche Schätzung der Kosten praktisch nicht möglich ist und was passiert, wenn der „Kostenvoranschlag“ letztlich aufgrund des konkreten Behandlungsverlaufs durch überschritten wird?
Auch hier sind mehr neue Probleme als Lösungen vorhandener Probleme durch die Neuregelung der GOÄ zu erwarten.
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