Ausschlussfrist zugunsten des Vertragsarztes?

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Durch die Entscheidung des BSG vom 24.10.2018 (- B 6 KA 34/17 -) war spekuliert worden, dass auch die Prüfstellen in der vertragsärztlichen Abrechnungsprüfung der Fristbindung des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X unterliegen, so dass ab Kenntnis der entscheidenden Tatsachen eine Entscheidungsfrist von einem Jahr gilt.

Dieser Rechtsauffassung ist das Sozialgericht Kiel nun in einem Urteil vom 16.10.2019 (– S 2 KA 118/18 –) entgegengetreten.

Dass Gericht nahm an, dass die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht auf den Fall der sachlich-rechnerischen Berichtigung anzuwenden sei. Die einjährige Tätigkeitsfrist ist jedoch nach Ansicht des SG Kiels weder direkt noch indirekt als einjährige Tätigkeitsfrist auch für sachlich-rechnerische Berichtigungen innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist zu beachten. Das BSG wollte nach Einschätzung des Gerichts nicht zum Ausdruck bringen, es halte § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sowohl für sachlich-rechnerische Berichtigungen innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist als „auch“ für sachlich-rechnerische Berichtigungen außerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist für anwendbar. Das BSG betone vielmehr regelmäßig, dass § 45 SGB X von § 106a SGB V verdrängt werde und § 106a SGB V alleinige Rechtsgrundlage für sachlich-rechnerische Korrekturen sei. Das führe dazu, dass allenfalls Vertrauensschutzgesichtspunkte des § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten sein, wenn sachlich-rechnerische Korrekturen außerhalb der Vier-Jahresfrist erfolgen. Dann sei auch § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu beachten. Wenn das BSG davon ausgehen würde, dass § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X oder jedenfalls diese Tätigkeitsfrist auch bei sachlich-rechnerischen Korrekturen innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist zu beachten sei, dann hätte es diesen Prüfungspunkt systematisch regelmäßig geprüft, bevor überhaupt eine Prüfung unter Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten nach § 45 Abs. 2 und 4 SGB X geprüft werden. Es hätte diese Frist dann als sechste Konstellation des Katalogs der Verwirkungstatbestände für eine sachlich-rechnerische Berichtigung aufgelistet. Das BSG hätte sich dann auch dazu positionieren müssen, in welchem Verhältnis diese einjährige Ausschlussfrist zur von ihm selbst als allgemeingültig und starr geltenden vierjährigen Ausschlussfrist steht. Dass das BSG innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist jemals darauf abgestellt hat, welche Umstände fehlerhafter Abrechnung der Beklagten zu welchem Zeitpunkt bekannt gewesen sind, sei nach Ansicht des SG Kiels den bisherigen veröffentlichten Entscheidungen zu § 106a SGB V nicht zu entnehmen.

Das Urteil wirft die Frage auf, welche Bedeutung der Entscheidungsfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eigentlich nach Ansicht des BSG noch zukommen soll und warum die Fristbindung nur außerhalb der nun noch zweijährigen Ausschlussfrist gelten soll. Schließlich kann auch den Prüfstellen eine Entscheidung ab Kenntnis der entscheidungsrelevanten Tatsachen von einem Jahr ohne Weiteres zugemutet werden und damit insbesondere die bekannte Gefahr der „ewigen Prüfverfahren“ verhindern. Die Anwendung der Ausschlussfrist würde gerade diese Problematik verhindern, was eher für die Anwendung des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X spricht. Gründe warum die Entscheidungsfrist für die Prüfgremien nicht gelten sollte, sind schwer zu finden.

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