Krankenhausbehandlungen von 6 Stunden – ambulant oder stationär?
2Das BSG wird sich in kommender Zeit mit einer Reihe von Entscheidungen auseinandersetzen zu haben, in denen es um die Bewertung von kurzzeitigen Krankenhausbehandlungen geht und die Frage der Abgrenzung einer stationären zu einer ambulanten Behandlung im Raum steht.
Die Problematik entsteht dadurch, dass Seitens der Krankenkassen versucht wird auch aufwendige Behandlungen im Krankenhaus als ambulante Notfallbehandlungen zu vergüten, wenn diese nicht über 24 Stunden erfolgte (vgl. zur Problematik der Behandlung im Schockraum und zeitnahen Verlegung – LSG Saarland, Urteil vom 23.07.2019 – L 2 KR 2/18 – mittlerweile hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Krankenkasse gegen dieses Urteil das BSG die Revision zugelassen). Auch in anderen Entscheidungen war die Problematik insbesondere dann aufgetaucht, wenn die Krankenhäuser intensive Behandlungen vorgenommen hatten, die im Rahmen der ambulanten Versorgung überhaupt nicht angeboten werden. Daher sind auch einige Kassenärztliche Vereinigungen gegen die Abrechnung dieser Behandlungen als ambulante Notfallbehandlungen vorgegangen und haben diese mit dem Argument sachlich-rechnerisch korrigiert, dass es sich um typische Krankenhausbehandlungen handele. Die dadurch entstehende Zwickmühle für die Krankenhäuser macht eine Neubewertung der Abgrenzungskriterien zwischen ambulanter und stationärer Behandlung erforderlich.
In einer ähnlichen Konstellation hat das LSG Hamburg in zwei Entscheidung vom 19.12.2019 (- L 1 KR 62/18 – und L 1 KR 43/18 – gegen beide Entscheidungen sind Revisionsverfahren beim BSG anhängig) eine stationäre Behandlung in der Geburtshilfe angenommen, wobei bei den Frauen jeweils eine Tokolyse und ein Wendeversuch unternommen worden ist, die Behandlung aber nach ca. sechs Stunden beendet werden konnte. Die Frauen wurden entlassen.
Nach dem die Krankenhäuser die Behandlungen als stationäre Behandlungen abgerechnet hatten, wurde dies im Prüfverfahren von Medizinischen Dienst zurückgewiesen, weil die Behandlungen nicht über 24-Stunden geplant gewesen sei und die auch ambulant hätten durchgeführt werden können.
Das LSG Hamburg nahm allerdings an, dass vorliegend die Dauer der Behandlung von knapp sechs Stunden eine stationäre Behandlung nicht von vornherein aus, denn eine 24stündige Mindestaufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus oder ein Aufenthalt über Nacht ist hierfür nicht Voraussetzung. Auch aus der Rechtsprechung des BSG lässt sich nach Ansicht des LSG Hamburg eine derartige starre Mindestaufenthaltsdauer nicht entnehmen. Bei seiner Abgrenzung der stationären von der ambulanten Behandlung hat das BSG vielmehr nach Ansicht der Richter in Hamburg nur eine besonders „augenfällige“ Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses angenommen, sofern der Aufenthalt über Nacht andauert (BSG, Urteil vom 04.03.2004 – B 3 KR 4/03 R –), ebenso aber eingeräumt, dass es auch weniger augenfällige Sachverhalte einer vollstationären Behandlung geben könne, zumal einige Fallpauschalen exakt für die Behandlung an einem Behandlungstag kalkuliert worden seien (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R –). Des Weiteren hat das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf eine Aufenthaltsdauer von mindestens einem Tag und einer Nacht weniger geeignet sei, wenn es nicht um die Abgrenzung eines stationären Eingriffs vom ambulanten Operieren geht, sondern –um die Abgrenzung einer nicht operativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus, etwa bei einer Notfallversorgung. Zwar sei auch hier die vollständige Eingliederung in den Krankenhausbetrieb und damit das Vorliegen einer stationären Behandlung augenfällig, wenn der Patient mindestens einen Tag und eine Nacht bleibe. Sei dies nicht der Fall, folge daraus aber nicht im Gegenschluss, dass es sich nur um eine ambulante Behandlung handeln könne. Entscheidend komme es hier vielmehr darauf an, ob der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses – also insbesondere die typische intensive ärztliche Betreuung sowie die Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflegepersonal – in Anspruch genommen habe.
Letzteres nahm das Gericht für die entschiedenen Fälle an, weil es sich in beiden Situationen um Beckenendlage-Situationen gehandelt habe, bei denen zunächst neben der Tokolyse ein manueller Wendeversuch durchgeführt wurde, was aufgrund der spezifischen Risiken in der Praxis der niedergelassenen Ärzte nicht durchgeführt wird und. Unter Berufung auf die Entscheidung des BSG zur Aufnahme auf eine Intensivstation („Prototyp einer stationären Behandlung“ – vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R –) meint auch das BSG, dass die Behandlung – die im Übrigen auch die Bereitstellung eines OP-Teams für eine eventuelle Notsectio erfordere – zwar aus Sicht der Patientin eine ambulante Behandlung darstellen könne, aber durch die im Hintergrund ausschließlich für sie bereitgestellte Infrastruktur eines hochentwickelten Klinikbetriebes überlagert wird und damit auch im Falle der Entlassung der Patientin vor Mitternacht eine stationäre Aufnahme begründet.
Der Entscheidung ist zu zustimmen und zeigt noch einmal, dass die starre Fixierung auf die Abgrenzungskriterien der 24-Stunden-Dauer und der Eingliederung ins Krankenhaussystem (Aufnahme auf Station; Zuweisung eines Krankenhausbettes) in Zeiten in denen mehr und mehr aufwendige Behandlungen nur noch kurze Zeit dauern, nicht mehr überzeugen können, wenn nicht der Inhalt der Behandlungsmaßnahmen in Abgrenzung zu den in der ambulanten Behandlung vorgehaltenen Behandlungen berücksichtigt wird. Denn wenn eine spezifische Behandlung gerade die besondere Infrastruktur eines Krankenhauses braucht, kann es keine Rolle spielen, dass diese aufgrund eines günstigen Verlaus nur wenige Stunden dauert. Es bleibt zu hoffen, dass das BSG dazu seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung stationärer und ambulanter Behandlungen überprüft.
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Zum o.g. Thema: Tagesgeschäft im Streit mit Krankenkassen und MDK.
Sehr geehrter Herr Dr. Busch,
sicherlich richtig, das Dilemma bleibt aber, weil die Kriterien des BSG für die Voraussetzungen einer stationären Behandlung für diese Fälle nicht passen.
Ich halte es nach wie vor für absurd, die Behandlung eines Unfallopfers in einem Schockraum mit erheblichen Aufwand von Technik und Personal als ambulante Notfallbehandlung anzusehen und abzurechnen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Wölk