BSG kippt landesvertragliches Aufrechnungsverbot

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Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 11.11.2021 (- B 1 KR 36/20 -) das im hamburgischen Landesvertrag nach § 112 Abs. 1 SGB V enthaltene Aufrechnungsverbot als nichtig angesehen, weil es gegen die höherrangige PrüfvV aus dem Jahr 2014 verstößt, welches die Aufrechnung der Krankenkasse mit unstrittigen Forderungen nach Abschluss des Prüfverfahrens erlaubte.

Das in § 11 Abs. 5 des in Hamburg geltenden Landesvertrags nach § 112 SGB V geregelte Aufrechnungsverbot ist daher mit § 9 PrüfvV 2014 unvereinbar und insoweit nichtig. Denn Landesverträge nach § 112 Abs. 1 SGB V dürfen nach dem BSG die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ausschließlich innerhalb der bundesgesetzlichen Grenzen regeln.

Das BSG hatte in der Entscheidung ferner die Frage zu klären, ob im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Rechnungsprüfung auch Erkenntnisse der Krankenkassen verwendet werden durften, die aus einer rechtlich nicht vorgesehenen Strukturprüfung resultierten, an welcher das Krankenhaus freiwillig teilgenommen hatte. Strittig waren die Voraussetzungen der Abrechnung des OPS-Kodes 8-98f. Dies hat das BSG jedenfalls für den Fall bejaht, wenn der konkrete Prüfauftrag für den einzelnen Behandlungsfall die Prüfung derjenigen Strukturmerkmale mit umfasste, die auch Gegenstand der abstrakten freiwilligen Strukturprüfung waren. Dass es für solche abstrakten Strukturprüfungen zum damaligen Zeitpunkt noch an einer rechtlichen Grundlage fehlte, ist aufgrund der freiwilligen Mitwirkung des Krankenhauses unerheblich. Die PrüfvV aus dem Jahre 2014 bezieht sich nach dem BSG umfassend auf alle Abrechnungsprüfungen nach § 275 Abs. 1c SGB V in Bezug auf konkrete Abrechnungsfälle. Die PrüfvV enthält insoweit auch keine Regelung dahingehend, dass die Krankenkasse der Auffassung des MD folgen muss oder ausschließlich Erkenntnisse aus dessen gutachtlicher Stellungnahme verwerten darf. Aus anderen Quellen stammende Erkenntnisse sind in Abrechnungsprüfungen nach der PrüfvV verwertbar. Würden Gesichtspunkte, die zwar thematisch zum Prüfauftrag gehören, durch den MD aber nicht bewertet wurden, aus der Anwendbarkeit der PrüfvV und insbesondere der Geltung ihrer Fristen ausgeklammert, widerspräche dies nach dem BSG der intendierten Beschleunigung und Konzentration der Prüfverfahren.

Die Entscheidung hinterlässt einen gespaltenen Eindruck. Die Auffassung des BSG, dass die landesvertraglichen Bestimmungen nach § 112 Abs. 1 SGB V, die bundesrechtlichen Vorgaben für die Abrechnungsprüfung nicht außer Kraft setzen können, wird mit Blick auf die Normenhierachie nicht zu beanstanden sein. Das Problem des nun gesetzlich verankerten Aufrechnungsverbotes in § 109 Abs. 6 SGB V  wird sich eh nun zur Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit vorheriger Rechnungskürzungen durch die Krankenkassen verlagern.  Deutlich problematischer ist, die Frage, ob die Erkenntnisse aus den abstrakten Strukturprüfungen ohne Weiteres in den Prüfverfahren berücksichtigt werden dürfen bzw. ggf. sogar die Einleitung der Prüfverfahren entbehrlich machen, obwohl das BSG soweit nicht geht. Denn letztlich wird es im Rahmen der Einzelfallprüfung darauf ankommen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, die dann auch nur im Einzelfall zu prüfen sind, insbesondere wenn es in der Vergangenheit keine rechtliche Grundlage für die abstrakten Strukturprüfungen gab. Dass die freiwillige Mitwirkung an diesen Prüfungen nun durch das BSG wieder „sanktioniert“ wird, bestätigt die Zurückhaltung vieler Krankenhäuser sich auf die damaligen Prüfanfragen der Krankenkassen nicht einzulassen.

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