Praxisvertretung als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?

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Die Frage der freiberuflichen oder sozialversicherungspflichtigen Nebentätigkeit von Ärzten in Praxen und Krankenhäusern bleibt problematisch.

Das BSG hatte sich in einer aktuellen Entscheidung vom 29.10.2021 (- B 12 R 1/21 R -) mit der Frage zu beschäftigen, ob es sich bei der Nebentätigkeit einer Krankenhausärztin, die Krankheits- und Urlaubsvertretungen in einer Berufsausübungsgemeinschaft übernahm, um eine sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmertätigkeit handele.

Die Vorinstanz hatte noch eine selbständige Tätigkeit der Vertretungsärztin angenommen und dabei insbesondere darauf abgestellt, dass diese nur in Vertretung  eines abwesenden Gesellschafters der Berufsausübungsgemeinschaft tätig geworden ist (SG Frankfurt, Urteil vom 02.11.2020 – S 20 R 97/16 –).

Dieser Argumentation ist das BSG allerdings nicht gefolgt. Vielmehr erbrachte die Vertretungsärztin nach Ansicht des BSGH  ihre ärztliche Vertretungstätigkeit in der Berufsausübungsgemeinschaft im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung. Die Ärztin war nach Ansicht des BSG insbesondere hinsichtlich der Zuweisung bestimmter Patienten weisungsgebunden. Aufgrund des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit dem Praxispersonal und der kostenfreien Nutzung von Einrichtungen und Mitteln der Berufsausübungsgemeinschaft war sie in deren Arbeitsabläufe eingegliedert. Das ausschließliche Tätigwerden in einer Vertretungssituation ändert daran nach Meinung der Richter in Kassel nichts. Der Eingliederung in einen fremden „Arztbetrieb“ kann es nach dem BSG zwar entgegenstehen, wenn ein Arztvertreter für die Dauer seiner Tätigkeit die Stelle des Praxisinhabers einnimmt und zeitweilig selbst dessen Arbeitgeberfunktionen erfüllt. Das war vorliegend aber nicht der Fall, weil die Ärztin lediglich die ärztlichen Leistungen vertretungsweise erbracht und keine Vertretung in der Rechtsstellung der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis geleistet hat. Das BSG hat dabei noch explizit darauf hingewiesen, dass ob mit der gewählten Ausgestaltung der ärztlichen Vertretung berufszulassungsrechtlichen Anforderungen Genüge getan wird, für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als Beschäftigung unerheblich ist.

Auch diese neue Entscheidung des BSG, die bisher nur als Terminsbericht vorliegt, macht deutlich, dass die freiberufliche Nebentätigkeit von Ärzten in Krankenhäusern und Arztpraxen sich nur noch in sehr eingeschränkten Maße realisieren lässt und mit erheblichen rechtlichen Risiken verknüpft ist. Im Zweifel dürfte nach der eindeutigen Tendenz der BSG-Rechtsprechung bei all diesen Rechtsverhältnissen eher von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen sein.

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