Keine Aufrechnung ohne Gutachten des MD
0Die Fallkonstellation ist einer Vielzahl von Krankenhäuser bekannt. Eine bundesweit tätige Krankenkasse führt durch ihren eigenen Sozialmedizinischen Dienst (SMD) Prüfverfahren allein im schriftlichen Verfahren durch, wobei solche Verfahren in der Vergangenheit als Massenverfahren durchgeführt worden sind. Irgendwann erfolgt eine Aufrechnung der behaupteten Forderung mit der Behauptung, dass die Unterlagen nicht oder nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs. 2 PrüfvV (2014) eingegangen wären. Manchmal erfolgte auffälliger Weise der Eingang immer genau einen Tag nach Ablauf der Frist des § 7 Abs. 2 PrüfvV (2014). Im Streitfall hatte das Krankenhaus immer den rechtzeitigen Eingang der Unterlagen nachzuweisen, was regelmäßig nicht möglich war.
Das SG Dortmund hat in einer Entscheidung vom 27.06.2022 (- S 83 KR 6783/19 -) dazu unter Berufung auf die Rechtsprechung des BSG zur Rechtsnatur der Präklusionsvorschriften in der PrüfvV (vgl. dazu BSG, Urteile vom 18.05.2021 – B 1 KR 32/20 R und B 1 KR 37/20 R – sowie vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R -), aber zutreffend darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen zumindest dann keine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 9 Satz 1 PrüfvV (2014) besteht, wenn der SMD überhaupt kein Gutachten erstellt hat, sondern die Durchführung der Prüfung ablehnte.
Nach Ansicht des Gerichts erfüllt eine Aufrechnung ohne durchgeführte bzw. abgebrochene SMD-Prüfung ohne Gutachtenerstellung nicht die Voraussetzung eines nach § 8 PrüfvV (2014) fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruches. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 8 Satz 1 PrüfvV (2014) hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Überdies hat die Krankenkassen auch nach § 8 Satz 2 PrüfvV (2014), wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, die wesentlichen Gründe darzulegen. Eine abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit oder zur Korrektur der Abrechnung liegt aber gerade nicht vor, wenn der SMD wegen vermeintlich fehlender Unterlagen überhaupt kein Gutachten erstellt.
Vielmehr beruft sich die Krankenkasse damit auf vermeintliche Ausschlussfristen aus der PrüfvV und damit auf rechtliche Gründe. Ein Recht zur Aufrechnung aus rechtlichen Gründen sieht § 9 Satz 1 PrüfvV (2014) aber nicht vor. Das Gericht weit zutreffend daraufhin, dass die Erstellung eines Gutachtens dem SMD auch auf Basis der vom Krankenhaus übersandten Daten nach § 301 SGB V sowie sonstiger bereits erfasster Daten aus dem Versichertenverhältnis möglich gewesen wäre.
Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es sich bei der Frist zur Unterlagenanforderung nach § 7 Abs. 2 PrüfvV (2014) gerade nicht um eine Ausschlussfrist, sondern um eine Präklusionsfrist handelt (vgl. BSG, Urteile vom 18.05.2021 – B 1 KR 32/20 R und B 1 KR 37/20 R – sowie vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R -). Ein vermeintlicher Verstoß gegen die nach § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (2014) statuierte Pflicht des Krankenhauses zur Übermittlung von Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung führt daher lediglich dazu, dass der SMD bei seiner Prüfung die nicht fristgerecht eingereichten Unterlagen nicht zu berücksichtigen hat. Sie entbindet ihn jedoch nicht von einer Prüfung und berechtigt die Krankenkassen auch nicht zu einer Aufrechnung im Sinne der PrüfvV. Andernfalls käme die Frist doch wieder einer Ausschlussfrist gleich, die das BSG aber verneint hat.
Die positive Entscheidung setzt die Entscheidungen des BSG konsequent um und ist mit Blick auf die Rechtsnatur der Präklusionsvorschriften zwingend. Das zutreffend beanstandete Vorgehen der Krankenkassen stellt vielmehr einen Verzicht auf die Durchführung des Prüfverfahrens dar und schließt etwaige Erstattungsansprüche aus.
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