Kostenfreies Einsichtrechts in Patientendokumentation?

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Seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (EU-Verordnung 2016/679 – DS-GVO) wird diskutiert, ob Ärzte aufgrund der Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 und Art. 23 Abs. 1 DS-GVO einen Anspruch auf kostenfreie Überlassung einer Kopie der Patientendokumentation haben und insoweit der Anspruch auf Kostenerstattung des Arztes nach § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB entfällt.

In der Praxis haben viele Ärzte auf entsprechende Aufforderungen die Patientendokumentation nur gegen Kostenerstattung angeboten, während die Patienten sich auf den Anspruch aus der Datenschutz-Grundverordnung berufen haben, auch wenn die Einsicht in die Patientenunterlagen mit Datenschutzbelangen nichts zu tun hat, sondern allein zur Überprüfung der Behandlung auf etwaige Behandlungsfehler erfolgt.

In einer aktuellen Entscheidung vom 29.03.2022 (– VI ZR 1352/20 –) hat der BGH nunmehr diese Streitfrage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Beantwortung vorgelegt.

Teilweise wurde vertreten, dass Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Art. 15 DS-GVO gestützt werden, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen sei das Begehren rechtsmissbräuchlich und könne als offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO zurückgewiesen werden.

Diese enge Auslegung hat der BGH in seiner Vorlageentscheidung aber zutreffend bezweifelt.

Denn Art. 15 DS-GVO macht seinem Wortlaut nach das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten nicht von einer dem Schutzzweck der DS-GVO entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig und verlangt von dem Betroffenen nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet nach Ansicht des BGH darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Art. 15 DS-GVO einfordert. Dafür spricht auch, dass die betroffene Person sich durch die Erteilung von Auskunft und Kopie auf der Grundlage von Art. 15 DS-GVO der Datenverarbeitung auch dann bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann, wenn sie diese aus anderen Gründen verlangt hat, der Zweck der Vorschrift also letztlich unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden kann.

Aufgrund der Vorlage durch den BGH wird der EuGH ferner zu klären haben, ob die Kostenregelung des § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem europäischen Recht zu vereinbaren ist.

Die Frage zum Verhältnis des Art. 15 DS-GVO und § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB wird durch die Vorlage des BGH zum EuGH eine abschließenden Klärung erfahren. Dies ist zu begrüßen.

Für die Praxis dürfte sich die Bedeutung der Entscheidung in Grenzen halten, weil die überwiegende Anzahl von Ärzten auf die Bitte ihrer Patienten um Übersendung einer Kopie der Patientendokumentation, diese auch kostenlos zur Verfügung stellt, was den Anforderungen des europäischen Rechts auf jeden Fall gerecht wird. Die Ärzte, die für die Übersendung der Patientendokumentation sogar noch eine Abrechnung eines ärztlichen Berichts nach der GOÄ vornehmen, sind erfreulicherweise eine verschwindende Minderheit.

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