Beschränkung des Steigerungssatzes bei IMRT durch die Beihilfe

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Die Abrechnung radioonkologischer IMRT-Behandlungen nach der GOÄ bleibt leider ein Thema, dass die Gericht nach wie vor beschäftigt.

Nach dem mehr und mehr Zivilgerichte die Rechnungskürzungen der privaten Krankenversicherungen bei der IMRT unter Hinweis auf die rechtswidrigen Abrechnungsempfehlungen des Bundesverbandes Deutscher Strahlentherapeuten e.V. ablehnen, ist leider aktuell festzustellen, dass die Begrenzungen der Abrechnung eines fixen Steigerungsfaktors von 1,3 nun auch von einigen Beihilfestellen übernommen werden, was zu weiteren Konflikten führt. Denn auch im Bereich der Beihilfe findet sich für eine solche Abrechnungsbegrenzung jenseits der Vorgaben des § 5 GOÄ keine rechtliche Grundlage.

Darauf hatte auch das Verwaltungsgericht Köln in einer Entscheidung vom 08.04.2021 (- 3 K 6712/19 -) hingewiesen.

Nach § 6 Abs. 1 S. 1 BBhV sind grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen beihilfefähig. Gemäß § 6 Abs. 3 BBhV sind Aufwendungen für ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Leistungen wirtschaftlich angemessen, wenn sie sich innerhalb des in der einschlägigen Gebührenordnung vorgesehenen Gebührenrahmens halten. Die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen beurteilt sich für ärztliche Leistungen folglich nach dem Gebührenrahmen der GOÄ.

Gem. § 6 Abs. 2 GOÄ liegen die Voraussetzungen für eine analoge Abrechnung der erbrachten Leistungen mittels der Analogziffer 5855 A vor.

Die Bemessung der Abrechnung für die umstrittene Strahlentherapie nach Analogziffer 5855 A GOÄ mit einem Faktor zwischen 1,4 und 1,5 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Innerhalb der sog. Regelspanne des § 5 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 GOÄ kann eine Gebühr für eine medizinisch-technische Leistung zwischen dem Einfachen und dem 1,8fachen des Gebührensatzes bemessen werden, ohne dass dies bei der Rechnungslegung verständlich und nachvollziehbar zu begründen ist. In § 12 Abs. 3 GOÄ ist eine solche Pflicht nämlich nur vorgesehen, wenn die Regelspanne überschritten wird. Innerhalb des Gebührenrahmens hat der Arzt die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung zu § 315 BGB, bei der dem Arzt die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Gesichtspunkte vorgegeben sind. Die Abrechnung zum Schwellenwert des 1,8fachen für medizinisch-technische Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit befinden, stellt keinen Fehlgebrauch des ärztlichen Ermessens dar,

Dies entlastet den Arzt allerdings nicht davon, den Gebrauch seines Ermessens darzulegen, wenn die Angemessenheit der Abrechnung argumentativ in Zweifel gezogen wird. Denn in § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ ist auch für die Fälle, dass der behandelnde Arzt eine Gebühr innerhalb der Regelspanne ansetzt, festgelegt, dass die Gebühr unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass die Begründung der Ermessensentscheidung im Falle eines substantiierten Bestreitens für jede einzelne Leistungsposition einen Raum einnimmt, hinter dem der Aufwand für die ärztliche Leistung in den Hintergrund tritt. Es genügt die nachvollziehbare Darlegung, dass die abgerechnete Leistung im Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit lag (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007 – III ZR 54/07 – ).

Allein die unstreitige Heranziehung der relativ hoch bewerteten Analogziffer 5855 A hat für die Faktorbemessung innerhalb der Regelspanne des § 5 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 GOÄ nach dem VG Köln aber keine ermessenslenkende Wirkung auf die ärztliche Abrechnung dahin, die erbrachten Leistungen nur mit dem Faktor 1,1 bis 1,2 berechnen zu dürfen.

Der Arzt ist im Rahmen seiner Ermessensausübung für die Faktorbemessung innerhalb der Regelspanne des § 5 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 GOÄ auch nicht verpflichtet, nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer vom 18.02.2011 und des Bundesverbands der Deutschen Strahlentherapeuten e.V. abzurechnen. Diese Empfehlungen sind nach zutreffender Ansicht des Gerichts nicht rechtsverbindlich.

Allerdings kann sich der mit der Gebührenabrechnung verbundene Aufwand erhöhen, wenn sich der Arzt nicht an diese Empfehlungen halten will, wenn begründete Zweifel entstehen, ob die Gebühr nach billigem Ermessen festgesetzt wurde und dem entspricht, was in vergleichbaren Fällen üblicherweise festgesetzt wird.

Derartige Zweifel, die einen ärztlichen Ermessensfehlgebrauch begründen könnten, müssen aber konkret dargelegt , weil nach der Rechtsprechung des BGH der Arzt ohne Ermessensfehler bereits Leistungen durchschnittlicher Schwierigkeit mit dem jeweiligen Höchstsatz der Regelspanne abrechnen. Der bloße Hinweis auf abweichende Abrechnungsempfehlungen genügt nicht den Anforderungen an die substantiierte Darlegung eines ärztlichen Ermessensfehlgebrauchs dahingehend, dass die abgerechnete Leistung unterhalb des Bereichs durchschnittlicher Schwierigkeit lag.

Wie die bereits vorliegenden Entscheidungen der Zivilgerichte belegt auch die überzeugende Entscheidung des VG Köln, dass sich ein Ermessensfehlgebrauch bei der Festlegung der Steigerungssätze nach § 5 GOÄ sich nicht durch bloßen Hinweis auf die abweichenden Meinungsäußerungen berufspolitischer Interessenvertretungen begründen lässt. Diese üben auch im Beihilferecht nicht die Funktion eines „Ersatzverordnungsgebers“ aus.

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