Befangenheit von medizinischen Sachverständigen

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Immer wieder müssen sich die Parteien eines Rechtsstreits mit Äußerungen gerichtlicher Sachverständiger auseinandersetzen, die mit dem eigentlichen streitigen medizinischen Sachverhalts nichts zu tun haben. Teilweise fühlen sich medizinische Sachverständige dazu berufen, den Parteien und dem Gericht die Angelegenheit noch einmal „richtig“ zu erklären und dabei auch ihre persönlichen Ansichten zu verbreiten. Dies führt regelmäßig in Auseinandersetzungen über die Befangenheit der gerichtlichen Sachverständigen nach § 406 ZPO, weil der Sachverständige damit seinen Gutachterauftrag überschreitet, was regelmäßig auch die Frage nach der Verwirkung seines Vergütungsanspruchs nach § 8a Abs. 2 Nr. 3 JVEG aufwirft. Dies kann dazu führen, dass selbst ein aufwendiges Gutachten insgesamt nicht vergütet wird.

Zwar ist anerkannt, dass nicht jede Überschreitung des Gutachtenauftrages die Befangenheit eines Sachverständigen rechtfertigt (vgl. dazu etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 13.10.2014 – 5 W 65/14 –), weil das Ablehnungsrecht aus § 406 ZPO  kein allgemeines Instrument sein soll, das den Parteien an die Hand gegeben wäre, damit sie unterschiedslos die Einhaltung der Verfahrensregeln durch den Sachverständigen kontrollieren könnten. Vielmehr muss der Verfahrensverstoß, hier also die Überschreitung des Gutachtenauftrags, aus Sicht der verständigen Partei den Schluss zulassen, der Sachverständige stehe ihr nicht unvoreingenommen gegenüber.

Wie problematisch diese Beurteilung sein kann, zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Oldenburg  vom 27.11.2019 (– 5 W 50/19 –), mit welcher das Gericht einer Beschwerde eines Sachverständigen gegen die Ablehnung seines Vergütungsanspruchs stattgab.

Der ärztliche Sachverständige hatte in seinem Gutachten über den Behandlungsfehler einer minderjährigen Patientin, die zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits fast volljährig war, sich zu einem Schlusssatz  hinreißen lassen, in dem er die häufigen Arztbesuche der Eltern mit dem Kind kritisierte und einen Sorgerechtsmissbrauchsverdacht in den Raum stellte.

Dies führte wenig überraschend zu einem Befangenheitsantrag. Nachfolgend wurde dem ärztlichen Sachverständigen die Vergütung für die Erstellung des Gutachtens versagt. Nach Ansicht des OLG Oldenburg lag aber ein Befangenheitsgrund nach § 406 ZPO nicht vor.  Die Äußerung des Sachverständigen zur etwaigen Kindeswohlgefährdung hat nach Auffassung des Gerichts mit dem Ausgang des  Arzthaftungsrechtsstreits nichts zu tun und habe auch keine Folgen für das gewonnene Beweisergebnis. Davon zu trennen ist nach dem OLG Oldenburg die weitere Frage, ob das Verhalten des Arztes die Ablehnung deswegen rechtfertigt, weil es einen unsachlichen Angriff gegen die Eltern der Klägerin darstellt. Tatsächlich sind die Ausführungen des Sachverständigen nach der Ansicht des Gerichts nur unzureichend mit seiner Sorge um das zukünftige Wohl der fast volljährigen Klägerin zu rechtfertigen, sondern es dürfte dem Sachverständigen darum gegangen sein, das Gericht über die aus seiner Sicht bestehende Problematik zu informieren. Nach dem OLG Oldenburg sind solche Anmerkungen ohne Bezug zum Gutachten nicht tunlich, bewirken aber vorliegend keine Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen. Zwar sei die Kritik des Sachverständigen an dem Gebaren der Eltern der Klägerin durchaus geeignet, von Letzteren als persönlicher Angriff gewertet zu werden. Allerdings bestehe nach Ansicht der Richter in Oldenburg hier die Besonderheit, dass die Kritik des Sachverständigen der Klägerin keinen Anlass gebe, anzunehmen er wäre auch und gerade ihr gegenüber voreingenommen, denn die Kritik des Sachverständigen richte sich gegen die Behandlung, welche die Eltern der Klägerin haben angedeihen lassen, und ist erkennbar von der Sorge um das Wohlergehen der Klägerin geleitet. Insofern unterscheide sich die vorstehend zu beurteilende Konstellation von jenen, in denen ein Sachverständiger die gesetzlichen Vertreter einer Partei kritisiert und die minderjährige Partei annehmen darf, der Unwille bzw. die Kritik des Sachverständigen gelte für sie gleichsam mit.

Diese Argumentation dokumentiert die allgemeine Tendenz die Befangenheit von medizinischen Sachverständigen aufgrund von Überschreitungen des Gutachtenauftrags sehr zurückhaltend zu beurteilen, um die Verwertbarkeit der bereits vorliegenden Gutachten zu erhalten. Anders ist kaum zu erklären, dass das Gericht ernsthaft meint, der Angriff des Sachverständigen gegen die Eltern der Klägerin, stelle eine fürsorgliche Zuwendung gegenüber der immer noch minderjährigen Klägerin dar und werde von dieser auch so verstanden. So verständlich die allgemeine Tendenz zur Ablehnung der Befangenheit im Interesse einer zügigen Erledigung der Verfahren auch ist, setzt sie die falschen Signale. Denn letztlich müsste der gerichtliche Sachverständige die Frage beantworten, welchen für den Prozess relevanten sachlichen und nachvollziehbaren Grund er für solche Äußerungen über Prozessbeteiligte in einem gerichtlichen Verfahren hat, die mit der Beweisfrage nichts zu tun haben. Fehlt es an einem solchen Grund bleibt nur der von einer Partei empfundene persönliche Angriff, der zwangsmäßig zu einer Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen führen muss, denn ein persönlicher Angriff auf eine Partei widerspricht der Neutralitätspflicht des Sachverständigen. Eventuell wäre es sinnvoll, wenn Gerichte hier die Anforderungen an das Neutralitätsgebot der gerichtlichen Sachverständigen konsequenter umsetzen, damit auch Sachverständige mehr darüber nachdenken, welche persönlichen Äußerungen in ein gerichtliches Gutachten gehören oder diese besser ganz unterlassen.

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