BSG konkretisiert Anforderungen an Präklusion nach PrüfvV
0Das BSG hat in seiner Sitzung vom 11.11.2021 in mehreren Verfahren die Anforderungen an die Präklusionswirkung des § 7 Abs. 2 und 5 PrüfvV konkretisiert und dabei im Grundsatz die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG vom 18.05.2021 bestätigt.
Das BSG hat in der Entscheidung B 1 KR 22/21 R zunächst klargestellt, dass sich die in § 7 Abs. 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 vorhandene materielle Präklusionsregelung nur auf die Unterlagen beziehen kann, die die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens konkret angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von vier Wochen vorgelegt hat. Die nicht fristgerecht vorgelegten Unterlagen dürfen auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden.
§ 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2014 bezieht sich nach dem BSG auf die Anforderung von Unterlagen, die der MDK zumindest ihrer Art nach konkret bezeichnet hat. Das Krankenhaus muss nicht von sich aus weitere Unterlagen übermitteln, die für die Stützung seines Vergütungsanspruchs relevant sein können. Die PrüfvV 2014 enthält hierfür entgegen der Neufassung der Vorschrift in der PrüfvV 2016 keine Regelung. Nach dem BSG folgt auch aus dem Auch Sinn und Zweck der Vorschrift nichts anderes. Vielmehr soll der Streitstoff für die Überprüfung der Abrechnung des Behandlungsfalls vollständig gebündelt und deren Abschluss insgesamt beschleunigt werden. Hierbei ist es Aufgabe des MD, die prüfrelevanten Begründungselemente durch die Unterlagenauswahl selbst einzugrenzen. Nur die nicht fristgemäße Vorlage ihrer Art nach konkret bezeichneter Unterlagen rechtfertigt die nicht unerhebliche Sanktionsfolge der materiellen Präklusionswirkung. Ansonsten müsste das Krankenhaus zur Vermeidung von Rechtsnachteilen dem MD immer sämtliche Unterlagen zur Verfügung stellen. Welche Unterlagen durch den MD ihrer Art nach jeweils konkret bezeichnet wurden, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen. Dabei ist nicht allein auf die schriftliche, insbesondere formularmäßige Bezeichnung bestimmter Unterlagen (wie etwa „Aufnahmebefund“, „Anamnese“ oder „Assessment“) abzustellen. Es sind auch ergänzende Umstände zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die einschneidenden Folgen einer unterlassenen Unterlagenübersendung muss die Bezeichnung der Unterlagen aber präzise und klar sein, wobei dann Unklarheiten oder Zweifel gehen zulasten des Verwenders der Bezeichnung also des MD und letztlich der Krankenkasse gehen.
Das BSG hatte vor diesem Hintergrund bei einer stationären psychiatrischen Behandlung angenommen, dass ein Schreiben des einweisenden Psychiaters nicht zu den angeforderten Unterlagen der Aufnahmeuntersuchung und Anamnese zählt. Fordert der MD beim Krankenhaus Untersuchungsbefunde, Anamnesen oder Assessments an, darf dieses nach dem BSGH davon ausgehen, dass damit zunächst einmal die vom Krankenhaus selbst erhobenen Befunde, Anamnesen und Assessments gemeint sind. Hält der MD darüber hinaus für seine Beurteilung auch einen Fremdbefund (etwa des einweisenden Arztes) für notwendig, muss er dies eindeutig zum Ausdruck bringen.
Dies hat das BSG in der Entscheidung B 1 KR 16/21 für die Auslegung des § 7 PrüfvV 2016 anders gesehen und angenommen, dass die vom MD nicht konkret angeforderte hausärztliche Krankenhauseinweisung wegen nicht fristgerechter Vorlage als Beweismittel präkludiert ist.
Ebenso wie die entsprechenden Regelungen der PrüfvV 2014 enthält § 7 Abs. 2 Satz 4 bis 9 PrüfvV 2016 eine materielle Präklusionsregelung. Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 bis 5 PrüfvV 2016 trifft das Krankenhaus nach dem BSG aber darüber hinaus abweichend von der PrüfvV 2014 die Obliegenheit, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrags erforderlichen Unterlagen zu ergänzen. An diese Obliegenheit dürfen aber nach dem BSG keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Mehr als eine kursorische Durchsicht der nicht angeforderten Behandlungsunterlagen daraufhin, ob diese für die Erfüllung des Prüfauftrags ersichtlich relevant sein können, kann vom Krankenhaus regelmäßig nicht erwartet werden. Der genaue Umfang der Mitwirkungsobliegenheit des Krankenhauses hängt nach den Richtern des BSG auch vom Umfang und der Konkretisierung des jeweiligen Prüfauftrags ab. Bei einem umfassenden Prüfauftrag im Sinne einer sogenannten „Vollprüfung“ ist für das Krankenhaus regelmäßig nur schwer abzuschätzen, welche Unterlagen prüfrelevant sein könnten. Es müsste dann zum Ausschluss einer Präklusion regelmäßig sämtliche Behandlungsunterlagen übersenden. Das widerspräche dem Ziel eines effizienten und schlanken Prüfverfahrens und würde die Verantwortung für die Festlegung des Prüfumfangs und der Prüftiefe vom MDK auf das Krankenhaus abwälzen. Bei Prüfaufträgen, die punktuell auf einzelne konkrete Fragestellungen beschränkt sind, kann vom Krankenhaus gegebenenfalls auch eine genauere Durchsicht der hierfür in Betracht kommenden Unterlagen verlangt werden.
Beim Prüfauftrag des MD bzgl. der Notwendigkeit der stationären Krankenhausaufnahme ist die Relevanz der Krankenhauseinweisung für diesen Prüfauftrag für das Krankenhaus aber auch bei kursorischer Durchsicht der Behandlungsunterlagen ohne weiteres erkennbar.
Die Entscheidungen machen einmal mehr deutlich, dass die Auslegung der PrüfvV erhebliche Probleme mit sich bringt, weil aus der unterschiedlichen Fassung des § 7 PrüfvV 2014 und 2016 sich die weitreichende Differenzierung bzgl. der unterschiedlichen eigenen prüfpflichten bzw. Obliegenheiten des Krankenhauses für die dem MD vorzulegenden Unterlagen zumindest nicht aufdrängt. Ob die Vertragsparteien bei der Neufassung des § 7 PrüfvV 2016 tatsächlich die vom BSG angenommene Obliegenheiten beabsichtigt haben, kann bezweifelt werden. Es wäre wünschenswert, wenn die Vertragsparteien zu den in der Praxis bedeutsamen Regelungen der PrüfvV gemeinsame Anwendungs- und Auslegungshinweise herausgeben, die den Willen der Vertragsparteien erkennen lassen, so dass dieser auch Anhaltspunkte für die Auslegung durch die Rechtsprechung anbieten kann.
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