Eine Ausschlussfrist ist keine Ausschlussfrist

0

Das BSG hatte sich in einer Entscheidung vom 28.08.2024 (- B 1 KR 33/23 R -) mit den Fragen zu beschäftigen, ob die nach § 8 Satz 1 PrüfVV 2016 erforderliche Mitteilung des Erstattungsanspruch beziffert werden muss und ob die fehlende Mitteilung eines bezifferten Erstattungsanspruchs und Nichteinhaltung der Ausschlussfrist des § 8 Satz 4 PrüfVV 2016 einen Anspruchsverlust bedeutet.

Das BSG hat dazu zwar entschieden, dass die Mitteilung eines konkret bezifferten Erstattungsanspruches geboten ist, die ausdrücklich als Ausschlussfrist bezeichnete Frist in § 8 Satz 4 PrüfVV 2016 aber keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist sei und daher die Fristversäumung einer späteren Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht entgegenstände.

Die in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Begründung der Entscheidung bezieht sich zunächst auf eine Auslegung des Wortlautes sowie eine systematische Auslegung der Mitteilungspflicht eines Erstattungsanspruches nach § 8 Satz 1 PrüfVV 2016. Das BSG kommt dabei überzeugend zu dem Ergebnis, dass das Erfordernis der Mitteilung des Erstattungsanspruchs neben dem Erfordernis der Mitteilung der Entscheidung nur dann Sinn macht, wenn sich diese Verpflichtung auf die Mitteilung eines konkret bezifferten Erstattungsanspruches bezieht, was auch der bürgerrechtlichen Systematik der Aufrechnung mit dem Erfordernis einer gesonderten Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB entspricht, wozu dann aber im Rahmen des § 10 PrüfVV 2016 auch die Einstellung der Forderung in einen Kontokorrentvorgang durch ein Sammelavis ausreicht, wenn vorab eine konkrete Mitteilung des Erstattungsanspruches erfolgt ist.

Die unterbliebene Mitteilung des konkreten Erstattungsanspruchs ist nach dem BSG aber rechtlich trotz der Vorgaben des § 8 Satz 1 PrüfVV 2016 im Ergebnis nicht relevant, weil das Krankenhaus sich auf diesen „Formfehler“ unter Berücksichtigung des aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V iVm. § 242 BGB folgendem Rücksichtnahmegebot aufgrund der ständigen Akzeptanz der nicht bezifferten Mitteilungen im gerichtlichen Verfahren nicht berufen darf. Vielmehr wäre nach dem BSG eine solche nachträgliche Rüge treuwidrig. Es würde andernfalls den Krankenhäuser die Möglichkeit offenstehen, im Nachhinein aus einer beiderseitigen oder einer jedenfalls unwidersprochenen Fehlvorstellung von rechtlichen Anforderungen Vorteil zu schlagen was nach dem BSG der gesetzgeberischen Vorstellung vertrauensvoller Zusammenarbeit zuwiderlaufen würde. Der formale Einwand der fehlenden Bezifferung wäre daher nur dann relevant, wenn das Krankenhaus entsprechenden Mitteilungen auch in der Vergangenheit widersprochen hätte.

Damit lässt das BSG aber nicht bewenden und stellt ferner fest, dass die Ausschlussfrist nach § 8 Satz 4 PrüfVV 2016 trotz der Bezeichnung als Ausschlussfrist keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist ist, sondern allenfalls dazu führen kann, dass die Krankenkasse die erleichterte Möglichkeit der Realisierung der Forderung durch die mögliche Aufrechnung nach § 10 PrüfVV 2016 verliert. Die Normierung einer weitreichenden Ausschlussfrist bedarf nach dem BSG mehr als die Bezeichnung als Ausschlussfrist, sondern einer klaren zweifelsfreien normativen Regelung, die in § 8 Satz 4 PrüfVV 2016 nach Ansicht des BSG fehlt.

Die Entscheidung des BSG lässt die Vertreter der Krankenhäuser mal wieder betreten dreinschauen. Denn wie oft hatten diese aufgrund der jahrelangen übereinstimmenden Auslegung von Abrechnungsvorschriften, zu denen das BSG dann irgendwann eine abweichende Ansicht vertrat, den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme und die Gebote von Treu und Glauben erfolglos ins Feld geführt, um nun zu lesen, dass es der gesetzgeberischen Intention widerspräche, wenn eine Seite im Nachhinein sich daraus Vorteile verschaffe. Im Übrigen stellt sich die Frage, was im Rahmen der PrüfVV im Wortlaut vereinbart werden muss, damit auch das BSG zur Annahme einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist kommt. Wir hoffen sehr, dass das BSG sich an diese Ausführungen erinnert, wenn in absehbarer Zeit die strittigen Fälle zum Verbot der Rechnungskorrektur nach § 17c Abs. 2a KHG entschieden werden, welches von den Krankenkassen ohne jede Rücksichtnahme angewendet wird.

Für Rückfragen zu diesem oder einem anderen medizinrechtlichen Thema stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite www.ra-glw.de.

Ihre Meinung dazu?

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.
Ihre E-Mailadresse wird weder veröffentlicht, noch an Dritte weitergegeben.

* *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden .