Entwöhnung als Befreiung des Patienten von der Beatmung
0Mittlerweile scheint die Rechtsprechung des BSG die unterinstanzlichen Gerichte immer weniger zu überzeugen. So hat das LSG Bayern in einer Entscheidung vom 26.05.2020 (– L 5 KR 273/17 –) der Auffassung des BSG vom 19.12.2017 (– B 1 KR 18/17 R -) zu den Voraussetzungen der Kodierung von Beatmungsstunden widersprochen.
Nach der Rechtsprechung kann nach der DKR1001l eine Entwöhnung nicht mit dem Beginn der maschinellen Beatmung beginnen, vielmehr muss sich der Patient an die maschinelle Beatmung gewöhnt haben. Das BSG meint, dass die DKR 1001l von dem normativen Regelfall ausgehe, dass ein Patient zunächst mittels Intubation oder Tracheotomie ununterbrochen maschinell beatmet wird und sich schon durch den Wechsel der Art der maschinellen Beatmung, insbesondere beim nachfolgenden Einsatz einer Beatmungsmaske eine zeitliche Zäsur zwischen Gewöhnungs- und Entwöhnungsphase ergeben kann.
Nach dem LSG Bayern finden diese vom BSG angenommenen Anforderungen der Entwöhnungsphase aber weder eine Grundlage im Wortlaut der DKR 1001l noch basieren sie auf fachmedizinisch anerkannten Zusammenhängen.
Vielmehr verwende die DKR 1001l den Begriff der Gewöhnung nicht. Dieser existiert nach Ansicht des Gericht im Sinne einer Kausalkette Gewöhnung-Entwöhnung im Bereich der Beatmung auch nicht. Bei der maschinellen Beatmung findet eine Gewöhnung im pathophysiologischen Sinn nicht statt. Grund der künstlichen Beatmung ist immer eine akute Gasaustauschstörung oder Schwächung bzw. Überlastung der Atemmuskulatur. Damit bedarf es für eine Entwöhnung, für das sog. Weaning von der künstlichen Beatmung auch keiner vorherigen Gewöhnung. Es bedarf auch keiner Zäsur bzw. eines Wechsels in der Art der Beatmung. Als Definition der Entwöhnung vielmehr gilt in der Pneumologie auch international die „Befreiung eines Patienten von der Beatmung“ etabliert. Nach dem LSG München kann allein dieser medizinisch weltweit etablierten Definition der Entwöhnung gefolgt werden.
Inhaltlich ist der Entscheidung des LSG München wenig hinzuzufügen, insbesondere weil sie den einhelligen Konsens in der Medizin zur Dauer und Beendigung der Beatmung wiedergibt. Ob dies das BSG aber in der vom LSG Bayern zugelassenen Revision beeindrucken wird, bleibt abzuwarten. Auch hier ist aber leider zu beobachten, dass die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG im Bereich der Krankenhausabrechnung von vielen Instanzgerichten nicht nachvollzogen werden kann und daher abgelehnt wird, was zu einem zunehmenden Vertrauensverlust in die Rechtsprechung des BSG führt. Dies wird noch unterstützt, dass die oft nur sehr knapp begründeten Entscheidungen wenig Anhaltspunkte für die Gründe des BSG erkennen lassen, warum das Gericht eine bestimmte Auslegung entgegen der abweichenden und nahezu einheitlichen Verständnisses in der Medizin vertritt. Der zunehmende Vertrauensverlust ruft immer wieder den Gesetzgeber auf den Plan, dessen verunglückte Rettungsaktionen, die Sache leider nicht besser machen.
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