Grundsatz Beratung vor Regress bei Richtgrößenprüfung gilt nur eingeschränkt

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Die Hoffnung vieler Ärzte, dass durch die gesetzliche Neuregelung in § 106 Abs. 5e SGB V zum 01.01.2012 existenzbedrohende Regresse werden der Überschreitung des Richtgrößenvolumens von mehr 25 %, verhindert werden könnten, hat sich durch zwei aktuelle Entscheidungen des Bundessozialgerichts zumindest teilweise zerschlagen. Das Bundessozialgericht hat in den Entscheidungen vom 22.10.2014 den Anwendungsbereich des Grundsatzes der Beratung vor Regress deutlich eingeschränkt (BSG, Urteile vom 22.10.2014 – B 6 KA 8/14 R und B 6 KA 3/14 R -).

Nach der gesetzlichen Neuregelung sollte ein Regress bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens von mehr als 25 % erst dann möglich sein, wenn vorher eine Beratung stattgefunden hat. Nach Klarstellung durch den Gesetzgeber vom 26.10.2012 sollte sich das Erfordernis der vorrangigen Beratung auch auf alle noch anhängigen Prüfverfahren beziehen sollte, in denen zum 31.12.2011 noch kein Widerspruchsbescheid vorlag.

Teilweise ist diese Regelung durch die Gerichte sehr unterschiedlich interpretiert worden, wobei insbesondere strittig war, welche Verfahren von der gesetzlichen Änderung zum 26.10.2012 umfasst waren und wie das Erfordernis der „erstmaligen Überschreitung“ der Richtgröße auszulegen sei. Die Richter des 6. Senates des Bundessozialgerichts legten die im Streit stehenden Regelungen des § 106 Abs. 5e SGB V in den aktuellen Entscheidungen restriktiv zu Lasten der Vertragsärzte aus.

Danach soll der Grundsatz Beratung vor Regress nur bei Prüfverfahren greife, in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 ergangen ist. Den vorher beendeten Verfahren würde durch die gesetzliche Neuregelung zum 26.10.2012 nicht die Grundlage entzogen. Trotz eindeutiger Anhaltspunkte für eine andere Absicht des Gesetzgebers nahm das Bundessozialgericht an, dass der Gesetzgeber zum 26.10.2012 eine Neuregelung erlassen wollte, die sich nicht auf vor diesem Datum abgeschlossene Prüfverfahren erstrecken soll.

Ferner soll das Privileg des Beratungsvorranges ebenfalls nicht gelten, wenn bereits der betroffene Arzt in der Vergangenheit bereits einmal eine Richtgröße überschritten habe, ohne dass dies durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt sei. Nach dem Bundessozialgericht folge durch die gesetzliche Neuregelung keine „Nullstellung“ der Richtgrößenprüfung. Vielmehr seien immer noch Überschreitungen aus der Vergangenheit zu berücksichtigen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Überschreitung durch die Prüfstelle „förmlich festgestellt“ worden sei und der Arzt tatsächlich unwirtschaftlich verordnet hat.

Ob das Bundessozialgericht hier eine bestandskräftige Entscheidung der Prüfstelle verlangt oder welche Anforderungen an die Feststellung der „erstmaligen Überschreitung“ gestellt werden, ist aufgrund des bisher nur vorliegenden Terminberichts über die Entscheidungen nur schwer zu beurteilen. Eine genaue Analyse der Entscheidung ist erst möglich, wenn die Urteilsgründe bekannt sind.

Im Ergebnis ist aber bereits jetzt festzuhalten, dass die Entscheidungen den auch vom Gesetzgeber gewollten Neustart der Richtgrößenprüfung verhindern und damit den deutlich zu erkennenden Willen des Gesetzgebers missachten. Die erhoffte Entlastung der Vertragsärzte wird wohl erst die geplante Abschaffung der Richtgrößenprüfung mit sich bringen. Eine Neuregelung der Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Abschaffung der Richtgrößenprüfung sieht der vorliegende Referentenentwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vor. Daher bleibt einstweilen nur die Hoffnung auf den Gesetzgeber.

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