Haftung bei neuen Behandlungsmethoden

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Die Haftung des Arztes bei der Anwendung neuer Behandlungsmethoden hat auch in der Vergangenheit immer wieder zur Frage der Legitimität von Heilversuchen und dem Einsatz alternativer Behandlungsmethoden geführt.

In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof vom 30.05.2017 (– VI ZR 203/16 –) noch einmal klargestellt, dass die Anwendung von nicht allgemein anerkannten Therapieformen rechtlich grundsätzlich erlaubt ist (so bereits BGH, Urteile vom 13.06.2006 – VI ZR 323/04 -„Robodoc“ und vom 22.05.2007 – VI ZR 35/06 – „Racz-Katheder“).

Dabei ist nach dem Bundesgerichtshof nicht nur zu beachten, dass eine Beschränkung der Methodenfreiheit der Medizin sich als Hemmnis des medizinischen Fortschritts erweisen könnte. Entscheidend ist für das Gericht, dass jeder Patient, bei dem eine von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannte Methode angewendet wird, eigenverantwortlich entscheiden kann, welchen Behandlungen er sich unterziehen will. Schließt aber das Selbstbestimmungsrecht eines um die Tragweite seiner Entscheidung wissenden Patienten die Befugnis ein, jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen, so kann aus dem Umstand, dass der Arzt den Bereich der Standardmedizin verlassen hat, nicht von vornherein auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden.

Neben der strengen Aufklärung fordert die Zulässigkeit des Heilversuchs aber auch nach dem Bundesgerichtshof eine sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und des Wohls des konkreten Patienten. Bei dieser Abwägung dürfen auch die Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten des medizinischen Standards nicht aus dem Blick verloren werden. Je schwerer und radikaler der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind nach dem Bundesgerichtshof die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der gewählten Behandlungsmethode.

Damit verlangt der Bundesgerichtshof eine besondere Rechtfertigung für die Indikation einer alternativen Behandlung bzw. eines Heilversuchs, wobei die Nutzen und Risiken der Behandlung im Vergleich zur Standardbehandlung einer kritischen Würdigung benötigen. Damit wird letztlich gerade den erhöhten Risiken von Neulandbehandlungen aufgrund des fehlenden Erfahrungswissens mit diesen Methoden Rechnung getragen. Diese sorgfältige Abwägung sollte vom Arzt nicht nur ausführlich dokumentiert werden, um den Abwägungsprozess und die Gründe für die Therapiewahl nachträglich auch darlegen zu können, sondern sollte auch Gegenstand der Aufklärung des Patienten sein.

Erfreulicherweise hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung auch klargestellt, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige auch über Erfahrungen mit der neuen / alternativen Behandlungsmethode haben sollte.

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