Ist jeder ärztliche Gutachter in Abrechnungsstreitigkeiten befangen?

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Gerade in gerichtlichen Verfahren über ärztliche Honoraransprüche für neue medizinische Verfahren besteht die allgemeine Problematik geeignete gerichtliche Sachverständige zu finden.

Die Gerichte sehen sich in dem Dilemma, dass oft nur eine Handvoll medizinische Sachverständige fachlich dazu in der Lage sind, den medizinischen Sachverhalt zu beurteilen, die entsprechenden Sachverständigen aber in der Regel die entsprechenden Verfahren auch selbst abrechnen. Dieser Interessenskonflikt liegt im Wesen von Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Leistungserbringern und Kostenträger und führt immer wieder zu der Frage der Befangenheit der gerichtlichen Sachverständigen (vgl. dazu bereits LG Münster, Beschluss vom 28.03.2014 – 5 T 87/14, 05 T 87/14 –).

In einem durch uns betreuten Verfahren, welches die gebührenrechtliche Beurteilung der sog. intensitätsmodulierten Strahlentherapie zum Gegenstand hat, hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 27.08.2015 (- 9 O 28346/13 -) einen entsprechenden Befangenheitsantrag der am Verfahren beteiligten Krankenversicherung zurückgewiesen. Das Gericht begründet seine Entscheidung unter anderem damit, dass die eigene Abrechnungspraxis des Sachverständigen nicht dazu führen kann, ihn als befangen zu anzusehen. Nach dem Landgericht München I ist es eine zwangsmäßige Folge bei gebührenrechtlichen Fragestellungen, dass ein Sachverständiger mit unmittelbarer Kenntnis der abzurechnenden Behandlung so abrechnet wie eine der am Prozess beteiligten Parteien, so dass eine der Parteien immer eine Befangenheit des Sachverständigen annehmen könnte. Dies kann nach korrekter Auffassung des Gerichts für sich genommenen keine Befangenheit des Sachverständigen begründen. Entscheidend sei letztendlich die Argumentation des Sachverständigen, mit welcher sich das Gericht auseinanderzusetzen habe.

Dieser gut begründeten Entscheidung ist im Beschwerdeverfahren das OLG München mit Beschluss vom 22.12.2015 (- 21 W 1921/15 -) nicht gefolgt. Zwar erkennt auch das OLG München das praktische Dilemma an, vertritt aber die Auffassung, dass die eigene Liquidation der streitgegenständlichen Behandlung durch den gerichtlichen Sachverständigen, die Möglichkeit einer Befangenheit des Sachverständigen begründen kann. Diese Möglichkeit würde dann nach dem OLG München bei angestellten Ärzten oder Ärzten im Ausland wie Österreich nicht bestehen.

Die Entscheidung des OLG München wirft für die Praxis erhebliche Probleme auf. Wird es für eine Vielzahl von Verfahren in Abrechnungsstreitigkeiten durchaus möglich sein, eine Begutachtung durch angestellte Ärzte ohne eigenes Liquidationsrecht durchführen zu lassen, wird es immer wieder hoch spezialisierte Leistungen geben, in denen die fachliche Qualifizierung zur Beurteilung des Sachverhalts sich auf einige wenige Experten beschränkt, die zumindest mittelbar eigene wirtschaftliche Interessen an der Abrechnung der Leistung haben.

Dieses Dilemma ist kaum durch eine Begutachtung durch ausländische Ärzte lösen, die schon Probleme haben werden, die Beweisfragen mit Blick auf das ihnen fremde Abrechnungssystem der GOÄ zu beantworten. Abgesehen von den zusätzlichen Kosten stellt sich auch die Frage, warum im Bereich der Abrechnungsstreitigkeiten im medizinischen Bereich andere Regeln gelten müssen als in anderen Bereichen. So sind Gerichte bei einer Vielzahl von Sachfragen auf Beratung durch Experten angewiesen, deren Sachkunde auf ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem entsprechenden Bereich beruht, ohne dass eine Begutachtung durch ausländische Sachverständige erforderlich wäre. Der Pauschalverdacht der Voreingenommenheit aufgrund der eigenen Abrechnung ist gegenüber den betroffenen Ärzten aus unserer Sicht nicht zu rechtfertigen.

Für Rückfragen zu Abrechnungsstreitigkeiten oder andere medizinrechtliche Anliegen stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite http://www.ra-glw.de.

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