Neues Verjährungsrecht steht Aufrechnung im Jahr 2018 nicht entgegen

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Im Rahmen des Neuregelungen des Verjährungsrechts durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz war darüber diskutiert worden, ob die verkürzte Verjährungsfrist bzw. der Ausschluss der Geltendmachung von Rückforderungen auch für die Aufrechnung gilt, welche von den gesetzlichen Krankenkassen noch massenhaft vor dem 01.01.2019 erklärt worden sind.

Das Sozialgericht Marburg hat in einer Entscheidung vom 31.07.2020 (- S 14 KR 154/19 -) nun die Auffassung vertreten, dass die durch Art. 7 Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in § 109 Abs. 5 SGB V und § 325 SGB V eingefügten Neuregelungen zum Verjährungsrecht erst ab 1.1.2019 gelten. Daher kann nach Auffassung des Gerichts eine Krankenkasse mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Rahmen der noch bis Ende 2018 geltenden vierjährigen Verjährungsfrist auch noch bis zum 31.12.2018 aufrechnen.

Das Gericht nimmt unter ausführlicher Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung an, dass die Aufrechnung von im Jahr 2018 noch nicht verjährter Ansprüche nicht durch § 325 SGB V ausgeschlossen ist. Bereits wegen der Geltung des § 325 SGB V erst zum 01.01.2019 war die Norm zum Verrechnungszeitpunkt im Jahr 2018 nach Auffassung des Gerichts nicht wirksam. Im Übrigen setzt sie nach Meinung des SG Marburg voraus, dass die Krankenkasse den Anspruch gerichtlich geltend macht. Gerichtlich geltend gemacht ist ein Anspruch nur mit Klageerhebung, also mit Eingang der Klageschrift bei dem zuständigen Gericht. Daher kann nach Rechtsauffassung des SG Marburg § 325 SGB V nur auf die Durchsetzung durch die Einleitung gerichtlicher Verfahren bezogen werden. Sie betrifft daher nur den Ausschluss der gerichtlichen Geltendmachung vom 09.11.2018 bis zum 31.12.2018. Die Übergangsvorschrift des § 325 SGB V enthält nach Ansicht der Richter in Marburg keine Aussagen zur Möglichkeit einer Aufrechnung von Krankenhausforderungen mit Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen. Sofern nicht schon vor dem 09.11.2018 Rückforderungsansprüche gerichtlich geltend gemacht wurden, sollen daher Rückforderungsansprüche, die vor dem 01.01.2017 entstanden waren, nicht mehr durch die Krankenkassen anhängig gemacht werden können. Dies bedeutet, dass in Bezug auf die vor dem 01.01.2017 entstandenen Rückforderungsansprüche den Krankenkassen die Möglichkeit zur aktiven Durchsetzung ihrer Ansprüche entzogen wurde, die Ansprüche gleichwohl noch existent sind und als solche dem neuen Verjährungsregime unterfallen, so dass auch im Jahr 2018 noch eine Aufrechnung möglich sein soll.

Die Auffassung des SG Marburg, wonach eine Aufrechnung erlaubt, aber eine gerichtliche Geltendmachung ausgeschlossen sei, überzeugt mit Blick auf die vom Gericht selbst zitierte Gesetzesbegründung nicht, wenn der Gesetzgeber wollte mit der Regelung gerade eine massenhafte Rückabwicklung von Zahlungen verhindern (so auch SG München, Urteil vom 08.11.2019 – S 21 KR 2172/18 –). Diese Zielsetzung wird mit der Auslegung des SG Marburg aber letztlich ad absurdum geführt. Das Gericht mag sich zu dieser Auslegung auch eher vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkenden Regelungen des § 109 Abs. 5 SGB V und § 325 SGB V entschieden haben (vgl. dazu auch SG Nürnberg vom 08.11.2019 – S 21 KR 2172/18 -). Dann wäre es aber konsequenter gewesen, die Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit der  gesetzlichen Regelungen dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen, wie es jüngst auch das SG München für die Frage der rückwirkenden Klarstellung durch das ehemalige DIMDI nach § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V getan hat (vgl. SG München, Vorlagebeschluss vom 25.06.2020 – S 12 KR 1865/18 –).

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