Noch einmal zur Notfallbehandlung im Krankenhaus
0Mittlerweile liegt die Entscheidung des BSG vom 18.05.2021 (- B 1 KR 11/20 R -) für Notfallbehandlung im Krankenhaus auch im Volltext vor. Leider hinterlässt sie aber wieder einmal mehr Fragen als Antworten.
Das BSG ist in der Entscheidung bemüht, die bisher entwickelte Systematik zur Abgrenzung stationärer und ambulanter Behandlung beizubehalten, auch wenn dies gerade mit Blick auf den zu entscheidenden Sachverhalt eines schwerverletzten Traumapatienten in einem Schockraum einigen argumentativen Aufwand erfordert.
So bleibt das BSG, dass die stationäre Behandlung die vorherige Aufnahme ins Krankenhaus voraussetze, was eine organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses bedeutet. Eine stationäre Behandlung sei zumindest dann anzunehmen, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Maßgeblich ist dabei aber nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im Krankenhaus, sondern die zur Zeit der Aufnahmeentscheidung auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte. Denn eine einmal auf Grundlage der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen, etwa indem ein Versicherter gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Damit bleibt auch die abgebrochene stationären Behandlung nach dem BSG eine stationäre Behandlung (BSG, Urteil vom 19.09.2013 – B 3 KR 34/12 R –). Insofern kann die einmal begründete stationäre Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der bei der Aufnahme erkennbaren Umstände objektiv zutreffend war aufgrund erst später erkennbarer Umstände rückwirkend auch nicht mehr entfallen (BSG, Urteil vom 17.3.2005 – B 3 KR 11/04 R –).
Der Aufnahmeentscheidung soll nach dem BSG die Aufnahmeuntersuchung vorangehen und ist auch bei Einlieferung eines Patienten in das Krankenhaus durch den Rettungsdienst erforderlich. Die Aufnahmeentscheidung muss dabei weder ausdrücklich erklärt noch förmlich festgehalten werden. Sie kann sich auch aus der bereits eingeleiteten Behandlung selbst ergeben, etwa wenn ein Schwerverletzter bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus sofort für eine Notoperation vorbereitet oder sofort auf die Intensivstation verbracht wird (BSG. Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R –). Dennoch ist die nachfolgende stationäre Behandlung immer von der vorausgehenden Aufnahmeuntersuchung zu unterscheiden, die je nach Lage des Einzelfalls sehr kurz, aber auch sehr intensiv sein kann. Aber auch das BSG geht nach wie vor davon aus, dass wenn infolge der Aufnahmeuntersuchung eine Aufnahme erfolgt, wird die Aufnahmeuntersuchung Teil der stationären Behandlung und ist durch die Fallpauschale mitvergütet (vgl. BSG, Urteil vom 11.9.2019 – B 6 KA 6/18 R –).
Allerdings begründen die in einem Schockraum vorgenommenen medizinischen Maßnahmen und Untersuchungen nach dem BSG nicht bereits selbst die Aufnahme in das Krankenhaus. Der Schockraum ist danach nur ein zentraler Raum der Notfallaufnahme eines Krankenhauses mit spezieller Ausstattung und räumlicher Anordnung zur bestmöglichen primären, interdisziplinären sowie intensiven Diagnose und Therapie lebensbedrohlich Erkrankter. Die Behandlung dort ist regelmäßig Teil der Notfallbehandlung und der Aufnahme des Patienten in die vollstationäre Versorgung vorgeschaltet. Mit der Behandlung in einem Schockraum ist nach dem BSG regelmäßig noch keine spezifische Einbindung in das Versorgungssystem eines Krankenhauses verbunden
Ergibt die Aufnahmeuntersuchung im Schockraum, dass eine Weiterverweisung an ein anderes Krankenhaus medizinisch erforderlich ist, schließt dies eine vergütungswirksame stationäre Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich aus. Etwas anderes kommt nach dem BSG ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn sich das erstangegangene Krankenhaus entschlossen hat, den Patienten an ein anderes Krankenhaus weiterzuverweisen, es z.B. jedoch zuvor noch Prozeduren anwendet, die der Notfallbehandlung ihr Gepräge geben, wie etwa eine Notoperation zur Herbeiführung der Transportfähigkeit. Diese begründen dann auch eine stationäre Behandlung, wenn diese nicht einmal in ihrem Kern im EBM-Ä abgebildet sind (so etwa bei einer rund zehnstündigen Aufnahme einer Versicherten auf eine Intensivstation – BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R –). Anderenfalls sind Maßnahmen der ambulanten Notfallbehandlung, wie sie in einem Schockraum typischerweise vorgenommen werden, wenn sich daran keine stationäre Behandlung im erstangegangenen Krankenhaus anschließt, nach dem BSG der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen.
Abgesehen von den vom BSG angenommenen Ausnahmesituationen stellen damit Notfallbehandlungsmaßnahmen keine stationäre Behandlung dar, wenn sie im Anschluss an die Aufnahmeuntersuchung mit dem Ergebnis einer Weiterverweisung an ein anderes Krankenhaus lediglich dazu dienen, den Zustand des Patienten zu stabilisieren und seine Transportfähigkeit für einen Transport in zumutbarer Zeit aufrechtzuerhalten. Es handelt sich dann nur um eine fortgesetzte ambulante Notfallbehandlung.
Auch dem BSG scheint es damit im Ergebnis nicht so sehr auf den formalen Aspekt einer Aufnahmeuntersuchung mit dokumentierter Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes zu gehen, sondern um den Inhalt der Notfallversorgung. Denn die vom BSG angenommenen Ausnahmefälle zeigen, dass bei umfangreichern intensivmedizinischen Maßnahmen oder gar einer Not-Operation zur Herstellung der Transportfähigkeit auch dann eine stationäre Behandlung begründet werden kann, wenn der Patient später an ein anderes Krankenhaus verwiesen wird. Leider sind diese intensivmedizinischen Maßnahmen, die der Behandlung dann ein „stationäres Gepräge“ geben, nicht näher bestimmt, wobei die bloße Stabilisierung des Patienten im Schockraum offensichtlich nicht ausreichen soll. Die Problematik der inhaltlichen Abgrenzung zwischen ambulanter Notfallversorgung und intensivmedizinischer stationärer Notfallbehandlung liegt auf der Hand, wobei die Behandlung im Schockraum sich inhaltlich nicht von einer intensivmedizinischen Behandlung auf einer entsprechenden Station unterscheiden muss. Unter welchen inhaltlichen Kriterien das BSG zwischen einer die Vornahme einer ambulanten Notfallbehandlung von dem „Gepräge einer intensivmedizinischen Behandlung“ abgrenzen will, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Wird die bisherige Rechtsprechung des BSG ernst genommen, kann es sich nicht allein um die Dauer der Notfallbehandlung handeln.
Die Praxis wird daher inhaltliche Kriterien finden müssen, wie für schwerstverletzte Patienten der Inhalt der ambulanten Notfallbehandlung im Krankenhaus von einer stationären Behandlung mit intensivmedizinischen Gepräge abgegrenzt wird.
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