OLG Karlsruhe bestätigt Mehrwahlarztsystem

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Die zunehmende Spezialisierung in der Medizin hat gerade bei großen Universitätskliniken dazu geführt, dass leitende Arzt nicht mehr der „bestqualifizierte“ Arzt für alle Gebiete seiner Klinik ist, so dass viele Krankenhäuser dazu übergegangen sind, in ihren Kliniken Subspezialisierungen zu bilden und für diese die qualifizierten Oberärzte als zuständige Wahlärzte nach § 17 KHEntgG zu benennen (sog. Mehrwahlarztsystem).

Dieses Mehrwahlarztsystem stieß auf wenig Verständnis bei den Kostenträgern, die in diesem Mehrwahlarztsystem einen Verstoß gegen § 17 KHEntgG erblickten und den Krankenhäuser unterstellten, lediglich die Zahl der Wahlärzte beliebig zu erhöhen.

In einem von uns geführten Verfahren hat das OLG Karlsruhe mit einem lesenswerten Beschluss vom 18.01.2021 (– 13 U 389/19 –) die Ansicht einer Krankenversicherung zur Unwirksamkeit einer Wahlleistungsvereinbarung mit einem Mehrwahlarztsystem für eine kardiologische Spezialklinik zurückgewiesen und nach § 522 Abs. 2 ZPO angekündigt, die entsprechende Berufung der Krankenversicherung zurückzuweisen, so dass diese die Berufung auch zurücknahm.

Das OLG Karlsruhe hat zunächst mit der herrschenden Ansicht vertreten, dass wahlärztliche Leistungen als Leistungen des Krankenhauses gelten, wenn ein Krankenhausarzt sein ihm vertraglich eingeräumtes Liquidationsrecht zur Behandlung von privat versicherten Patienten an das Krankenhaus abgetreten hat (sog. Beteiligungsmodell) oder die Ausübung des Liquidationsrechts im Rahmen des Dienstvertrages als unmittelbare Dienstaufgabe erklärt wird. Der Gericht ist daher der zutreffenden Ansicht, dass das Liquidationsrecht auch vom Krankenhausträger ausgeübt werden kann, wie es mittlerweile in fast allen Krankenhäusern auch der Praxis entspricht. Ob bzw. wie genau die Wahlärzte an dem Erlös des Krankenhauses aus den Wahlleistungen beteiligt werden, spielt nach Auffassung des OLG Karlsruhe schon deswegen keine Rolle, weil dies eine interne dienstvertragliche Angelegenheit zwischen dem Krankenhausträger und dem jeweiligen Arzt ist, wobei das Patienteninteresse nicht tangiert wird.

Die Wahlleistungsvereinbarung mit einem Mehrwahlarztsystem verstößt nach Meinung der Richter in Karlsruhe nicht gegen die §§ 305 ff. BGB und ist insbesondere hinreichend bestimmt, weil selbst die Benennung von 24 Wahlärzten der hochgradigen Spezialisierung des Krankenhauses geschuldet ist und hierin kein unzumutbarer Vorbehalt einer Leistungsänderung nach § 308 Nr. 4 BGB zu sehen ist. Maßgeblich ist für den Patienten, dass er über den normalen fachärztlichen Standard hinaus zusätzliche Expertise „einkauft“, wobei in der vertraglichen Regelung transparent sein muss, wessen Leistung dies genau ist. Dass es in einem hochspezialisierten Krankenhaus zahlreiche Fachbereiche gibt, die jeweils auf ihrem Gebiet spezialisiert sind, liegt nach dem OLG Karlsruhe auf der Hand und entspricht gerade dem wohlverstandenen Interesse des Patienten, für den eine möglichst vollständige Abdeckung der verschiedenen Fachbereiche kardiologischer Erkrankungen objektiv betrachtet von Vorteil ist, denn dann kann eine spezifische Erkrankung gerade über den üblichen Facharztstandard hinaus entsprechend adressiert werden. Selbst wenn es hinsichtlich der einzelnen aufgeführten Spezialabteilungen aus Laiensicht schwer abgrenzbar erscheinen mag, in welchem Fall welcher Wahlarzt zur Behandlung berufen ist, so ist die interne Struktur der einzelnen Abteilungen dennoch in dem in der  Wahlleistungsvereinbarung dargestellten Mehrwahlarztsystem entsprechend offengelegt. Dass der genaue Verlauf der Behandlung und insbesondere etwaig auftretende Komplikationen ex ante nicht vorhersehbar sind, liegt für das Gericht auf der Hand. Gerade bei einer auftretenden Komplikation liegt es indes im ureigenen Interesse des Patienten, von einem benannten Spezialisten der entsprechenden Abteilung über den allgemein üblichen Standard hinaus behandelt zu werden.

Der Einwand der Krankenversicherung, es liege angesichts der Vielzahl der benannten Ärzte keine von den allgemeinen Krankenhausleistungen abgrenzbare wahlärztliche Leistung vor, verfängt nach Ansicht des Gerichts nicht. Geschuldet wird vom Krankenhaus eine über den allgemeinen Facharztstandard hinausgehende wahlärztliche Leistung auf dem jeweiligen, medizinisch klar abgegrenzten Spezialgebiet, und zwar unabhängig von deren medizinischer Notwendigkeit im Einzelfall. Dass auch im Falle einer fehlenden Wahlarztvereinbarung eine adäquate medizinische Behandlung und gegebenenfalls die Hinzuziehung eines Spezialisten geschuldet ist, ändert nichts daran, dass durch eine solche Vereinbarung die entsprechende Expertise für die gesamte Behandlung unbeschadet deren objektiver Notwendigkeit „hinzugekauft“ wird, was gerade durch die Benennung der jeweiligen Spezialisten der Fall ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die benannten Wahlärzte administrativ eine Leitungsfunktion ausüben. Allein maßgeblich und für den Patienten von Belang ist wie bereits dargelegt die fachliche Expertise auf dem jeweiligen Fachgebiet.

Die Entscheidung ist auch in ihrer Deutlichkeit zu begrüßen, denn es erscheint in der modernen arbeitsteiligen Medizin gerade aus Sicht des Patienten kaum vertretbar, die Rolle des Wahlarztes auf den jeweiligen Chefarzt zu begrenzen, wenn neben diesen zahlreiche, in einzelnen Fachgebieten besser qualifizierte Oberärzte tätig sind. Schließlich haben sich die Krankenversicherungen gegen die Bezahlung wahlärztlicher Leistungen auch dann gewehrt, wenn der Chefarzt regelmäßig wahlärztliche Leistungen an einen besser qualifizierten Oberarzt delegiert hat. Die Entscheidung ist daher konsequent darin, die Wahlarztvereinbarung der faktischen Leistungserbringung in entsprechend qualifizierten Kliniken anzupassen, damit der Patient auch die Behandlung durch den bestqualifizierten Arzt erhält, die alleiniger Grund für die zusätzliche Vergütung der Leistung ist. Dies rechtfertigt sicherlich keine willkürliche Ausdehnung der Zahl von Wahlärzten, weil es sich bei diesen immer noch um besonders qualifizierte Ärzte handeln muss.

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