Reicht die Behauptung von Hygienemängeln zur Begründung der Haftung des Krankenhauses?

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Der BGH hat in seiner jüngsten Entscheidung vom 19.02.2019 (– VI ZR 505/17 –) seine Rechtsprechung fortgesetzt, wonach den Patienten im Arzthaftungsprozess zur Begründung eines Behandlungsfehlers nur „maßvolle Anforderungen“ treffen. Dies gilt auch bei behaupteten Hygienemängeln.

Hintergrund der Entscheidung war neben anderen Behandlungsfehlern, auch die Behauptung der klagenden Patientin, dass eine postoperative Infektion auf behauptete Hygienemängel im Krankenzimmer zurückzuführen sei. Das Berufungsgericht hatte den sehr pauschalen Vortrag der Patientin zu den Hygienemängeln noch als unzureichend angesehen, um das Krankenhaus im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast als verpflichtet anzusehen, die Hygienevorkehrungen im Einzelnen darzustellen.

Dies sah der BGH allerdings anders und betonte unter Darstellung seiner bisherigen Rechtsprechung, dass auch bzgl. der behaupteten Hygienemängel an die Substantiierungspflichten des Patienten im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen zu stellen sind, weil auch hier vom Patienten kann keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Ihm fehlt nach dem BGH die genaue Einsicht in das Behandlungsgeschehen und das nötige Fachwissen zur Erfassung und Darstellung des Konfliktstoffs, wobei er nicht verpflichtet ist, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Die Patientenseite darf sich deshalb auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Insbesondere ist der Patient nicht verpflichtet, mögliche Entstehungsursachen einer Infektion zu ermitteln und vorzutragen (so bereits BGH, Beschluss vom 01.03.2016 – VI ZR 49/15 –). Einschränkungen der Darlegungslast des Patienten können sich nach dem BGH ferner insoweit ergeben, als der Patient außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihm eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall hat die Behandlungsseite nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast auf die Behauptungen des Patienten substantiiert, also mit näheren Angaben zu erwidern, wenn ihr Bestreiten nach § 138 ZPO beachtlich sein soll. In der Kombination der genannten Grundsätze wird die erweiterte sekundäre Darlegungslast der Behandlungsseite im Arzthaftungsprozess nach dem BGH ausgelöst, wenn die primäre Darlegung des Konfliktstoffs durch den Patienten den aufgezeigten maßvollen Anforderungen genügt und die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite gestattet, während es dieser möglich und zumutbar ist, den Sachverhalt näher aufzuklären. Letzteres wird nach dem BGH bei der Behauptung von Hygienemängeln regelmäßig der Fall sein, weil sich sowohl die Existenz möglicher Infektionsquellen etwa in Gestalt weiterer Patienten oder verunreinigter Instrumente als auch die Maßnahmen, welche die Behandlungsseite zur Einhaltung der Hygienebestimmungen und zur Infektionsprävention unternommen hat, in aller Regel der Kenntnis des Patienten entziehen, während die Behandlungsseite ohne weiteres über die entsprechenden Informationen verfügt. Der Patient muss nach dem BGH keine konkreten Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vortragen. Es bleibt vielmehr auch und gerade bei der Behauptung von Hygienemängeln bei den allgemein für das Arzthaftungsrecht geltenden maßvollen Anforderungen an die primäre Darlegungslast des Patienten. Es genügt daher, wenn der beweisbelastete Patient Vortrag hält, der die Vermutung von Hygienemängeln der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet.

Der BGH bleibt damit seiner Grundlinie zu den maßvollen Anforderungen der Patientenseite im Arzthaftungsprozess treu, wobei mit Blick auf die von vielen Gerichten angenommene Pflicht zur umfassenden Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes die kritische Nachfrage erlaubt sein muss, ob bereits die Behauptung des Hygienefehlers „ins Blaue hinein“ ausreicht, den maßvollen Anforderungen des BGH zu entsprechen, was gerade bei der bloßen Behauptung von unhygienischen Verhältnissen erheblichen „Rechtfertigungsaufwand“ auf Krankenhausseite auslösen kann.

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