Selbstbestimmung von Minderjährigen in der ärztlichen Behandlung

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Die Aufklärung und Einwilligung von Minderjährigen in ärztliche Behandlung stellt Ärzte oft vor erhebliche Probleme, insbesondere wenn es sich um ältere Minderjährige handelt, die sich einem folgenreichen Eingriff unterziehen müssen.

Rechtlich anerkennt ist nämlich, dass die Befugnis zur Einwilligung in die ärztliche Behandlung nicht von der Geschäftsfähigkeit nach den §§ 104 ff. BGB abhängt, sondern von der individuell zu beurteilenden Einwilligungsfähigkeit. Der BGH hatte hierzu bereits in der Entscheidung vom 10.10.2006 (- VI ZR 74/05 -) klargestellt, dass einem minderjährigen Patienten bei einem nur relativ indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für die künftige Lebensgestaltung zumindest ein Veto-Recht gegen die Fremdbestimmung durch die gesetzlichen Vertreter zusteht, wenn sie über eine ausreichende Urteilfähigkeit verfügen.

Das LG München hat in einer Entscheidung vom 22.09.2020 (– 1 O 4890/17 -) allerdings darauf hingewiesen, dass die Reduzierung der Entscheidungskompetenz auf ein Veto-Recht nicht uneingeschränkt gilt.

Das Gericht weist zutreffend darauf hin, dass die Entscheidungskompetenz der Minderjährigen nur dann auf ein Veto-Recht reduziert wird, wenn der Betroffene zwar noch nicht über das Einsichts- und Urteilsvermögen verfügt, um sich dazu durchzuringen, der Maßnahme zuzustimmen, er aber Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung versteht, seine Zustimmung jetzt zu verweigern. Hingegen liegt auch nach dem BGH bei einem einsichts- und urteilsfähigen minderjährigen Patienten auch die volle Entscheidungskompetenz vor.

Hintergrund der Entscheidung war die haftungsrechtlich relevante Frage der wirksamen Aufklärung und Einwilligung in eine Kreuzbandoperation einer zum Zeitpunkt der Operation 16,5 Jahre alten Patientin. Das Gericht ging mit Blick auf die bejahte Einwilligungsfähigkeit der Patientin davon aus, dass es für die Frage der wirksamen Einwilligung allein auf die Aufklärung und Einwilligung der Patientin und deren gesetzlicher Vertreter ankomme. Nach Auffassung des Gerichts stellt sich das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung über die körperliche Integrität eines einwilligungsfähigen Minderjährigen als das gewichtigere Rechtsgut im Vergleich zu dem nach Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrecht dar.

Der Entscheidung ist zu zustimmen, denn letztlich dient auch das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG dazu, den Kindern eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. Wenn die Einwilligungsfähgikeit des Minderjährigen besteht, ist für eine Reduzierung der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts mit Blick auf eventuelle Elternrechte kein Raum mehr. Denn die Einwilligungsfähigkeit beinhaltet gerade die Fähigkeit zur selbständigen Ausübung des Selbstbestimmungsrecht. Dies löst allerdings nicht die in der Praxis oft schwierige Frage, ab wann die vollständige Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen anzunehmen ist. Dies mag bei einer 16,5 Jahre alten Patientin einfacher zu beurteilen sein, als bei einer 13jährigen Patientin.

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