Spezielle Indikation erlaubt Abrechnung des Femtosekundenlasers
4Die Abrechnung der GOÄ-Ziffer 5855 A nach § 6 Abs. 2 GOÄ für den Einsatz des sog. Femtosekundenlasers in der Augenchirurgie bleibt auch nach den Entscheidungen des BGH vom 14.10.2021 (- III ZR 350/20 – und 353/20 -) rechtlich problematisch, wie eine Entscheidung des LG Düsseldorf vom 24.02.2022 (- 3 S 11/18 – mit unzutreffenden Entscheidungsdatum) zeigt.
Das Gericht geht mit dem BGH dabei davon aus, dass die in der GOÄ-Ziffer 1375 enthaltende Leistung auch die femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation umfasst. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Einholung eines Sachverständigengutachten nimmt das Gericht aber an, dass im betroffenen Sachverhalt eine individuelle Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers bestand, die die Annahme einer selbständigen ärztlichen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 2 GOÄ begründet.
Die Operationsindikation bestehe darin, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers auch der Korrektur des Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) gedient habe. Diese Korrektur sei mit einem herkömmlichen Operationsverfahren im Rahmen der Kataraktoperation nicht umsetzbar. Beim betroffenen Patienten wurde bei beiden eine Verringerung des Astigmatismus vorgenommen. Die medizinische Notwendigkeit für den Einsatz des Femtosekundenlasers bei den Operationensoll sich dabei dann daraus ergeben haben, dass der Patient präoperativ einer beidseitigen Hornhautverkrümmung litt. Die Korrektur dieser beidseitigen Hornhautverkrümmung durch arkuate Hornhautschnitte mittels Femtosekundenlaser war nach Auffassung des Sachverständigen medizinisch sinnvoll und notwendig, um ein Sehen möglichst ohne Brillenkorrektur anzustreben. Im Rahmen der Beweisaufnahme konnte festgestellt werden, dass der Femtosekundenlaser dem unter Astigmatismus leidenden Patienten ein Behandlungsergebnis ermöglichte, was nach herkömmlicher Behandlung nur Patienten ohne Astigmatismus gewährt werden kann und die Behandlung des Astigmatismus bei dem Beklagten medizinisch sinnvoll und indiziert gewesen ist. Die Katarakt-Operation auf herkömmliche Weise ohne Lasereinsatz hätte bei dem Patienten aufgrund des vorliegenden Astigmatismus nicht dasselbe Ergebnis erzielen könne, sodass hier ausnahmsweise von einer eigenständigen Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers zur Beseitigung des Astigmatismus des Patienten im Zuge der Katarakt-Operation auszugehen ist. Die Behandlung des Astigmatismus stellt dabei eine eigenständige medizinische Indikation im Sinne einer selbstständigen Zielleistung dar. Vorliegend diente der Einsatz des Femtosekundenlasers daher gerade nicht ausschließlich der Durchführung der Katerakt-Operationen. Denn die Beseitigung des pathologischen Astigmatismus diente nicht allein der bloßen Optimierung des Operationsergebnisses der Katarakt-Operationen.
Die Entscheidung ist zu begrüßen, zeigt aber gleichzeitig die Schwächen der Entscheidungen des BGH vom 14.10.2021 (- III ZR 350/20 und 353/20 -) und der sehr engen Auslegung der gebührenrechtlichen Selbständigkeit. Denn im Ergebnis mutet es merkwürdig an, wenn der teure Einsatz des Femtosekundenlasers nur dann extra vergütet wird, wenn eine zusätzliche Zielleistung erreicht werden kann, die nicht Gegenstand der GOÄ-Ziffer 1375 ist. Denn an den Kosten und dem Aufwand der Behandlung bei der normalen Kataraktoperation im Vergleich zu den Operationen mit einer zusätzlichen Indikation ändert sich wenig. Dennoch werden die Operationen nach der aktuellen Rechtsprechung ganz anders vergütet, was die absurde Folge hat, dass bei der normalen Kataraktoperation privatversicherte Patienten, sich den Einsatz des Femtosekundenlasers über Honorarvereinbarungen nach § 2 GOÄ hinzukaufen müssen. Die zusätzlichen Kosten müssen sie selbst tragen. Nur wenn eine zusätzliche Indikation besteht, die den Einsatz des Femtosekundenlasers rechtfertigt, müssen nach dem vorliegenden Urteil des LG Düsseldorf die privaten Krankenversicherungen die Kosten erstatten. Sinn macht diese Differenzierung aus Sicht der Patienten und Leistungserbringer nicht.
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Guten Tag,
inwieweit ist dieses Urteil hilfreich bei der Übernahme der Kosten für eine
Laser-OP mit dem Femtosekundenlaser (Astigmatismus + Kataract).
Gibt es weitere Urteile bzw. wie verhalten sich die Beihilfestellen und Kranken-
kassen in der Frage der Kostenübernahme (falls bei Ihnen bekannt).
Bei mir wurde 2016 eine Kataract-OP durchgeführt mit dem Femtosekunden-
laser, daraufhin wurde bei meiner Beihilfestelle die Kostenübernahme für
diese OP eingeführt.
Sehr geehrter Herr Thimm,
das Urteil ist insoweit hilfreich, dass zumindest für bestimmte Situationen anerkannt wird, dass eine besondere Indikation zum Einsatz des Femtosekundenlasers besteht und damit auch eine gesonderte Abrechnungsfähigkeit der Leistung, die dann auch von den privaten Krankenversicherungen bezahlt werden muss.
Mittlerweile haben auch andere Gerichte diese Weg beschritten, wobei andere Entscheidungen die Abrechnungsfähigkeit des Lasereinsatzes unter Berufung auf die Entscheidungen des BGH grundsätzlich ablehnen.
Die zitierte Entscheidung ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Ärzte und Versicherten, mehr aber auch nicht. Das grundsätzliche Problem der Finanzierung technischer Innovationen bei bekannten Operationsverfahren im Rahmen der Privatabrechnung bleibt leider ungelöst.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Wölk
Niemand „leidet“ unter einem Astigmatismus, sofern der nicht ein gewisses Maß überschreitet, ganz besonders dann nicht, wenn es sich um einen Astigmatismus rectus/inversus handelt bis ca. 0,75 dpt. Es gibt darüberhinaus kaum einen Mensch, dessen Augen keinen Astigmatismus bis ca. 0,5 dpt. aufweisen. Diese Augen muß man daher nicht zwangsläufig mit arcuate incisions „behandeln“.
Sehr geehrter Herr Partenheimer,
vielen Dank für Ihre Anmerkung.
Ihre Anmerkung betrifft ein erhebliches Problem. Wann ist überhaupt eine neue Behandlung indiziert? Sicherlich ist richtig, dass durch die steigenden technischen Möglichkeiten der Behandlung sich auch die Frage der Behandlungsbedürftigkeit bestimmter Zustände geändert hat. Was der Mensch als „normal“ und „gesund“ empfindet, ändert sich auch mit veränderten technischen Möglichkeiten der Behandlung / Optimierung. Insofern bleibt auch bei der Fragestellung der medizinischen Indikation immer zu beachten, dass die Bewertung von Nutzen und Risiken einer Behandlung keine rein medizinische Frage ist, sondern immer auch eine „politische“ Frage, die gerade mit Blick auf die Finanzierung neuer – und oft sehr treuer – technischer Behandlungsverfahren kritisch gestellt werden muss. Insofern kann natürlich auch die Frage gestellt werden, warum wir überhaupt eine neue Behandlungsmethode mit erheblichen Mehrkosten zulassen, für die bisher keine Überlegenheit zu den herkömmlichen Verfahren nachgewiesen worden ist. Diese Frage wird im GKV-System gestellt. Im PKV-System ist diese Frage aber nicht vorgesehen, so dass diese Wirtschaftlichkeitsüberlegungen keine Rolle spielen. Dies mag berechtigte Zweifel am dualen System der Krankenversicherung begründen. Bisher hat der Gesetzgeber sich aber nicht dazu entschieden, dieses zu beseitigen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Wölk