Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes wirksam

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Leider ist es immer noch Praxis, dass eine Vielzahl von Krankenkassen prüfverfahren einleiten und vor Abschluss der Prüfung eine Rechnungskürzung vornehmen und lediglich den unstrittigen Teil der Rechnungen bezahlen. Angesichts der unstrittigen Vorleistungspflicht der Krankenkassen und dem eindeutigen gesetzlichen Aufrechnungsverbot in § 109 Abs. 6 SGB V ist dieses Vorgehen rechtlich problematisch. Genauso problematisch ist, wenn trotz des in den jeweiligen Landesverträgen nach § 112 SGB V vereinbarten Aufrechnungsverbotes, für ältere Fälle nach wie vor Aufrechnungen von den Krankenkassen vorgenommen werden, weil seitens der Krankenkassen, die Ansicht vertreten worden ist, dass diese Aufrechnungsverbote unwirksam seien.

Diese Ansicht ist das BSG in einer sehr erfreulichen Entscheidung vom 11.05.2023 (- B 1 KR 14/22 R -) deutlich entgegengetreten. Die Entscheidung liegt bisher nur als Terminsbericht vor.

Die vor dem BSG strittige Vereinbarung aus dem nordrhein-westfälischen Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, welche die Aufrechnung gegen Vergütungsforderungen des Krankenhauses verbietet, war nach dem BSG im Jahr 2015 außerhalb des Anwendungsbereichs der Prüfverfahrensvereinbarung mit höherrangigem Recht vereinbar.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 112 Abs. und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b SGB V. Die Vorschrift ermächtigt die Vertragspartner unter anderem, die Abrechnung der Entgelte zu regeln, was die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots einschließt. § 9  Prüfverfahrensvereinbarung 2014, der eine vorrangige Aufrechnungsbefugnis enthält, war vorliegend nicht anwendbar, weil nach dem BSG die sachlich-rechnerische Prüfung nicht in den Anwendungsbereich der Prüfverfahrensvereinbarung 2014 fiel.

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V) sowie die allgemeine Verpflichtung der Krankenkasse, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben (§ 76 Abs. 1 SGB IV), stehen nach dem BSG der Wirksamkeit des landesvertraglichen Aufrechnungsverbots nicht entgegen, weil die anderweitige Durchsetzung der Ansprüche hierdurch nicht verhindert wird. Allerdings kann bei einer wirtschaftlichen Krise des Krankenhausträgers oder seiner Insolvenz eine Aufrechnung die Liquidierung von Gegenansprüchen der Krankenkassen erleichtern und sichern. Das Aufrechnungsverbot ist jedoch nach dem BSG vor dem Hintergrund der Vorleistungspflicht des Krankenhauses zu betrachten. Es bietet den Vertragsparteien die Möglichkeit, das kompensatorische Beschleunigungsgebot zu stärken. Die Verständigung der Vertragsparteien auf ein Aufrechnungsverbot ist unter Abwägung der gewichtigen Interessen der Krankenkassen zwar nicht rechtlich geboten, aber ebenso wenig rechtlich zu beanstanden. Insbesondere steht das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot der Vereinbarung von Aufrechnungsverboten nicht entgegen, weil Ansprüche der Krankenkassen dadurch weder aufgegeben werden noch deren Durchsetzung vereitelt wird. Eine Einschränkung des Gestaltungsspielraums ergibt sich schließlich nicht aus der entsprechenden Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften wie etwa Treu und Glauben nach § 242 BGB. Auch stellt es grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich das Krankenhaus auf das vertragliche Aufrechnungsverbot beruft, selbst wenn die Gegenforderung der Krankenkasse
vom Krankenhaus nicht bestritten wird.

Die Entscheidung ist aus Sicht der Krankenhäuser zu begrüßen und angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers in § 109 Abs. 6 SGB V auch konsequent. Auch mit dieser Entscheidung stärkt das BSG die Rolle der Selbstverwaltungspartner in der Krankenhausabrechnung und entschärft das sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot als rechtliche „Allzweckwaffe“ zur Korrektur der Entscheidungen der Selbstverwaltungspartner. Diese neue Tendenz des BSG ist mit Blick auf einige kritische Entscheidungen der letzten Jahre erfreulich.

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