Weiter Streit um Steigerungssätze bei der IMRT

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Leider haben Gerichte nach wie vor erhebliche Probleme die rechtlichen Grundlagen der Analogbildung nach § 6 Abs. 2 GOÄ für die modernen Bestrahlungsverfahren in der Radioonkologie zu erkennen. In den zahlreichen Verfahren um die Wahl des Steigerungsfaktors nach § 5 GOÄ bei den sog. intensitätsmodulierten Bestrahlungsverfahren (IMRT) verweisen die Krankenversicherungen mittlerweile auf ein Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 18.01.2022 (- 20 C 2413/20 – nicht rechtskräftig), das diese Defizite sehr deutlich macht.

Die analoge Anwendung der GOÄ-Ziffer 5855 für die IMRT hat sich zwar mittlerweile durchgesetzt, jedoch wird immer noch vertreten, dass die aktuellen Abrechnungsempfehlungen eines ärztlichen Berufsverbandes der Strahlentherapeuten das Ermessen der Leistungserbringer bei der Wahl des Steigerungssatzes einschränken könnten. Diese rechtlich nicht haltbare Begründung ist bereits in zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen verworfen worden (vgl. dazu LG Ulm, Urteil vom 04.02.2022 – 6 O 359/20 – und LG Freiburg, Urteil vom 23.03.2022 – 1 O 302/19 -).

Das AG Augsburg hat dabei in der zitierten Entscheidung offenbar bereits Probleme zu erkennen, dass es sich bei der Frage der Analogiebildung nach § 6 Abs. 2 GOÄ für die IMRT zunächst um eine reine Rechtsfrage handelt, die schwerlich an einen medizinischen Sachverständigen delegiert werden kann. Schwerer wiegt allerdings, dass es rechtsirrtümlich davon ausgeht, dass eine einfache Bestrahlung ohne besondere Vorkommnisse – nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen eine „normale Bestrahlung“ – nicht die Abrechnung eines Steigerungsfaktors rechtfertigt, der sogar unter dem sog. Schwellenwert von 1,8 nach § 5 Abs. 2 und 3 GOÄ liegt. Aus dem normalen Bestrahlungsfall wird durch das Gericht ein „einfachst gelagerter“ Fall, der nur mit einem 1,0fachen Satz berechnet werden dürfte, weil es andernfalls keinen Sinn mache, dass der Verordnungsgeber einen Gebührenrahmen von 1,0 bis 1,8 vorgesehen habe. Auch die Anwendung einer neuen Technik (hier einer sog. Volumen-modulierte Rotationsbestrahlung – VMAT) rechtfertigt einen höheren Ansatz nicht, weil die Technik bereits seit 2017 im klagenden Universitätsklinikum praktiziert wird und daher mittlerweile ausreichend Erfahrung mit der Technik vorhanden wäre.

Die Begründung der klagabweisenden Entscheidung ist rechtlich nicht haltbar, denn zunächst verkennt das Gericht schon, dass der Verordnungsgeber in § 5 Abs. 2 und 3 GOÄ nicht einen Gebührenrahmen von 1,0 bis 1,8 für die IMRT vorgesehen hat, sondern die betroffene Leistung aus dem Abschnitt O. der GOÄ der Gebührenrahmen von 1,0 bis 2,5 reicht und der Schwellenwert 1,8 beträgt. Zum Schwellenwert von 1,8 kann dabei nach der vom BGH gebilligten schematischen Anwendung des § 5 GOÄ ohne Ermessensfehler – und ohne besondere Begründung – jede durchschnittlich aufwendige Behandlung abgerechnet werden, also eine Behandlung die normalen Aufwand ohne besondere Vorkommnisse entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007 – III ZR 54/07 –). Warum eine „normale Bestrahlung“ eine „einfachste Bestrahlung“ sein soll, die sogar nur den 1,0fachen Ansatz des Steigerungsfaktors rechtfertigt, erschließt sich aus dem Urteil des AG Augsburg leider nicht.

Auch das Argument, dass aufgrund der zunehmenden Erfahrung die Behandlung mit weniger Aufwand verbunden sei und daher auch nicht höher abgerechnet werden könnte, ist mit der Regelungssystematik des § 5 GOÄ nicht vereinbar. Denn die GOÄ macht keinen Unterschied darin, ob die Behandlung von einem erfahrenen Arzt oder einem Berufsanfänger erbracht worden ist, sondern orientiert sich an einem objektiven Maßstab der Leistungserbringung, wobei sich die notwendigen Erschwernisse aus der Behandlung selbst ergeben müssen. Eine an der Erfahrung des Leistungserbringers ausgerichtete Vergütung kennt die GOÄ nicht.

Das Kernproblem der dargestellten Entscheidung ist leider weit verbreitet, weil Gerichte oft dazu tendieren, die Aussagen der medizinischen Sachverständigen völlig unkritisch übernehmen und keine eigene Prüfung anhand der normativen Grundlagen der GOÄ vornehmen.

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