Wenn ein Notruf zu nichts führt – Zur Beweislastumkehr bei Hausnotrufverträgen

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Die Rechtsprechung ist vorsichtig damit, die in der Arzthaftung entwickelten Grundsätze der Beweislastverteilung auch außerhalb von Behandlungsverträgen anzuwenden. Dabei wird insbesondere die für den Patienten günstige Umkehr der Beweislast hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität aufgrund eines groben Behandlungsfehlers auf den Bereich der medizinischen Behandlung beschränkt, was mit den Besonderheiten der medizinischen Behandlung begründet wird. Lediglich im Bereich der Tierarzthaftung hat der Bundesgerichtshof die in der Arzthaftungsrechtsprechung entwickelten beweisrechtlichen Grundsätzen des groben Behandlungsfehlers ebenfalls für anwendbar gehalten (BGH, Urteil vom 10.05.2016 – VI ZR 247/15 –).

In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist diese Zurückhaltung erfreulicherweise für einen Hausnotrufvertrag aufgegeben worden (BGH, Urteil vom 11.05.2017 – III ZR 92/16 –).. Der Bundesgerichtshof hat die arzthaftungsrechtlichen Grundsätze der Umkehr der Beweislast für einen groben Behandlungsfehler aufgrund der vergleichbaren Interessenslage auch auf eine grobe Pflichtverletzung des Anbieters eines Hausnotrufvertrages angewendet, der es grob fehlerhaft unterlassen hatte, rechtzeitig den Rettungsdienst / Notarzt zu informieren.

Der Bundesgerichtshof führte dazu aus, dass die beweisrechtlichen Konsequenzen aus einem grob fehlerhaften Behandlungsgeschehen daran anknüpfen, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des ärztlichen Fehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt aus Billigkeitsgründen  dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. Die Beweislastumkehr soll danach einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist.

Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage sollen nach dem Bundesgerichtshof diese Beweisgrundsätze entsprechend auch bei grober Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten gelten, sofern diese wie beim Arztberuf dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Wer nach dem Bundesgerichtshof eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht übernimmt, andere vor Gefahren für Körper und Gesundheit zu bewahren, und diese grob vernachlässigt, kann nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden. In derartigen Fällen kann die regelmäßige Beweislastverteilung dem Geschädigten nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zugemutet werden.

Die Entscheidung ist zu begrüßen und verlagert das Haftungsrisiko für die Unaufklärbarkeit der konkreten Schadensursache dorthin, wo es aufgrund der groben Pflichtverletzung auch hingehört. Gerade die streitgegenständlichen Hausnotrufverträge werden mit besonderen Blick auf die Sicherstellung der notwendigen Versorgung im Notfall abgeschlossen. Wird der medizinische Notfall, obwohl er sich aufdrängt, von dem eingesetzten Personal nicht erkannt und erfolgt die sofort gebotene Hinzuziehung von Notarzt und Rettungsdienst nicht, kann es nicht Sache des Geschädigten sein, den Beweis zu führen, dass die eingetretenen Gesundheitsschäden auf der Pflichtverletzung beruhen. Der grob fehlerhafte Verstoß gegen die Kardinalpflicht des Dienstleisters (Alarmierung des Rettungsdienstes/Notarztes) schafft gerade die spezifische Gefahr, dass die Rettungsmaßnahmen zu spät erfolgen. Dies muss auch die Umkehr der Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität zur Folge haben.

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