Wirksame Patientenverfügung trotz Ablehnung „aktiver Sterbehilfe“

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Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisiert die Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung in einer aktuellen Entscheidung vom 14.11.2018 (- XII ZB 107/18 -) weiter.

Streitgegenständlich war eine recht pauschale Ablehnung lebensverlängernder Behandlungen bei gleichzeitiger Ablehnung einer aktiven Sterbehilfe, woraus sich aber nach dem BGH kein Widerspruch ergibt.

Der Sohn der Patientin war als Betreuer bestellt worden und hatte nach dem seine Mutter nach einem Schlaganfall ins Wachkoma gefallen war, sich mit dem Arzt aufgrund der Patientenverfügung für eine Einstellung der künstlichen Ernährung entschieden, wogegen der Ehemann der Patientin gerichtlich vorging.

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde des Ehemanns allerdings zurück und stellte zunächst noch einmal klar, dass der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung nach § 1901 a Abs. 1 BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. In diesem Fall ist eine Einwilligung des Betreuers, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt, in die Maßnahme nicht erforderlich, weil der Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen hat. Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nach § 1901 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB allerdings nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Neben Erklärungen des Erstellers der Patientenverfügung zu den ärztlichen Maßnahmen, in die er einwilligt oder die er untersagt, verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz aber auch, dass die Patientenverfügung erkennen lässt, ob sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll. Eine Patientenverfügung ist nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen, wobei die Anforderungen nicht überspannt und etwaige Lücken durch Auslegung geschlossen werden dürfen. Dazu hat der BGH aber in der aktuellen Entscheidung klargestellt, Patientenverfügungen wie alle Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen sind. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei nach dem BGH nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.

Im vorliegenden Fall war der Text der Patientenverfügung nach dem BGH insbesondere wegen der darin enthaltenen Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ unvollkommen und daher auslegungsbedürftig. Das durch die Vorinstanzen gewonnene Auslegungsergebnis, dass die Betroffene trotz dieser Formulierung auch in den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen eingewilligt hat, wenn bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, ist nach dem BGH aber nicht zu beanstanden, weil im Text der Patientenverfügung ausreichend zum Ausdruck kommt, dass die Betroffene in den von ihr bezeichneten Lebens- und Behandlungssituationen keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. Hieran kann bei der Auslegung des scheinbaren Widerspruchs angeknüpft werden, wobei zu beachten ist, dass die Patientenverfügung nach ihrem Wortlaut auch den Abbruch bereits eingeleiteter lebensverlängernder Maßnahmen erfasst. Hinzu kommt, dass die Betroffene in ihrer Patientenverfügung nicht nur pauschal bestimmt hat, lebensverlängernde Maßnahmen sollen in den von ihr beschriebenen Behandlungssituationen unterbleiben. Im weiteren Text der Verfügung findet sich vielmehr auch eine Konkretisierung der ärztlichen Maßnahmen, die sie in diesen Fällen wünscht. Danach sollen Behandlung und Pflege auf Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist, so dass die bloße Ablehnung der aktiven Sterbehilfe, der geplanten Einstellung der künstlichen Ernährung nach dem BGH nicht entgegensteht.

Der BGH setzt mit der aktuellen Entscheidung seine praxisnahe Handhabung der Auslegung von Patientenverfügungen fort. Dies ist zu begrüßen, weil damit eine praxistaugliche Handhabung der Patientenverfügungen gestärkt wird, was in den absoluten Ausnahmesituationen allerdings nicht verhindern wird, dass gerade im Streit zwischen Angehörigen, die Gericht über die Bedeutung und Reichweite von Patientenverfügungen entscheiden müssen.

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