Zur unbedingten Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen bei Krankenhausabrechnungen

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In der Diskussion mit Kostenträgern vor Inkrafttreten der Änderungen des MDK-Reformgesetzes war ein zentraler Streitpunt, die Fälligkeit von Krankenhausabrechnungen sowie die unbedingte Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen, wenn ein Überprüfungsverfahren eingeleitet worden ist.

Einige Krankenkassen haben auch aktuell bei Einleitung eines Überprüfungsverfahrens zunächst nur die unstrittigen Rechnungsbeträge gezahlt und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren eine Nachzahlung unter Vorbehalt geleistet zahlen. Dies hatten die Krankenhäuser als Anerkenntnis gewertet, die Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, die Verfahrenskosten der Krankenkasse aufzuerlegen. Diese vertraten aber die Ansicht, dass die Zahlung unter Vorbehalt keine Erfüllungswirkung nach § 69 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 362 BGB. Die Krankenkasse habe durch den Vorbehalt zu keinem Zeitpunkt ihre Rechtsposition und ihre Verteidigung gegen den ungerechtfertigten Vergütungsanspruch aufgegeben. Die Krankenkassen vertreten auch in diesen Verfahren die Ansicht, dass es keine unbedingte Zahlungsverpflichtung auf Krankenhausabrechnungen gibt, sondern diese unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung ständen.

Diese verfehlten Ansicht der Krankenkassen ist das SG Braunschweig mit Urteil vom 07.04.2021 (– S 54 KR 673/20 WA –) allerdings entgegengetreten.

Dabei hat das Gericht zunächst klargestellt, dass die Einleitung des Überprüfungsverfahren wegen einer eventuellen Fehlerhaftigkeit der Rechnung, keine Zurückbehaltungsrechte der Krankenkasse begründen kann. Für solche Fälle stehe auch nach der alten Rechtslage die Möglichkeit der Aufrechnung zur Verfügung. Auch der Einwand einer unzulässigen bzw. arglistigen Rechtsausübung sei nicht einschlägig, weil andernfalls die auch in den Landesverträgen nach § 112 SGB V enthaltenen Regelungen zur Abrechnung und Rechnungsprüfung schlicht überflüssig seien. Das Gericht stellt klar, dass sich das System der Krankenhausabrechnung erheblich vom Zivilrecht zwischen Privatparteien unterscheidet. Dabei sei auch falsch, dass die Fehlerhaftigkeit einer Rechnung per se dazu führe, dass die Rechnung nicht fällig sei, weil die sozialrechtlichen Regelungen gerade von einer Vorleistungspflicht der Krankenkassen ausgingen und die Fälligkeit einer Rechnung sich nur nach dem Datum richtet.

Auch die Entscheidung des BSG im Urteil vom 22.07.2004 (- B 3 KR 20/03 R -), auf die sich manche Krankenkassen in vergleichbaren Fällen berufen, spricht nach dem SG Braunschweig gerade nicht für ein Recht auf Zahlungsverweigerung von Anfang an. Das BSG hat nämlich der Revision einer Krankenkasse nicht stattgegeben, sondern die für die Klägerin positive Entscheidung des Landessozialgerichts bestätigt.

Die Zahlungsanspruchsgrundlage auf Basis der landesvertraglichen Regelungen würde völlig leerlaufen, wenn der Einwand der fehlerhaften Rechnung den Zahlungsanspruch ausschließen würde. Die vertraglichen Regelungen sollen nämlich die Krankenhäuser vor Liquiditätsengpässen schützen und damit die Krankenhausversorgung der Versicherten sicherstellen. Diesem Schutzgedanken widerspricht es, den Krankenkassen die Deutungshoheit über die Richtigkeit einer Krankenhausrechnung und damit die Berechtigung zur Zahlungsverweigerung von Anfang an zuzuschreiben. Die Zahlungsregelung ist auch Ausgleich für die unbedingte Verpflichtung der Krankenhäuser zur medizinischen Versorgung der Versicherten. Die Krankenhäuser gehen als Leistungserbringer in Vorleistung und müssen dafür die Sicherheit haben, ihre Rechnungen zunächst ausgeglichen zu bekommen. Wenn die am Krankenhaus-Vergütungssystem Beteiligten eine andere Zahlungsregelung wollten, könnten sie dies vertraglich vereinbaren, wofür es aber seit nunmehr fast 30 Jahren offenbar aber keine Veranlassung gegeben zu haben scheint.

Letztlich hat auch Gesetzgeber diesem Grundsatz der Krankenhausliquiditätsgewährleistung Rechnung getragen. Die unbedingte Zahlungsverpflichtung wurde nunmehr in § 417 SGB V gesetzlich geregelt.

Daher hilft der Krankenkasse auch der Einwand nicht weiter, dass die Zahlung nur unter Vorbehalt erfolgt sei, weil die Verpflichtung zur Zahlung aus Rechtsgründen objektiv gegeben war. Dieser rechtlichen Verpflichtung konnte sich die Krankenkassen auch nicht durch einen Vorbehalt entziehen.

Daher waren der Krankenkasse auch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie noch einmal deutlich macht, dass die Krankenkasse eine unbedingte Zahlungsverpflichtung trifft, die auch durch die nachträgliche Überprüfung der Krankenhausrechnung nicht entfällt. Insbesondere berührt die Einleitung des Überprüfungsverfahrens nicht die Fälligkeit der Krankenhausabrechnung. Daher ist und bleibt die Praxis vieler Krankenkassen, bei Einleitung des Überprüfungsverfahrens nur den unstrittigen Rechnungsteil zu zahlen, rechtswidrig.  Die Entscheidung wird aber zu dieser zentralen Streitfrage nicht das letzte Wort bleiben. Das SG Braunschweig hat dazu die Sprungrevision zum BSG zugelassen.

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