Keine Überprüfung der stationären Behandlungsnotwendigkeit ohne Prüfverfahren

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Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte sich im Urteil vom 30.03.2021 (–L 11 KR 2846/19–) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Krankenkasse unter Hinweis auf einen abgelehnten Leistungsantrag des Versicherten, die stationäre Behandlungsnotwendigkeit auch gegenüber dem Krankenhaus bestreiten kann, wenn die Krankenkassen kein Überprüfungsverfahren durch den Medizinischen Dienst (MD) eingeleitet hat.

Wie in anderen Verfahren war auch hier die Abrechnung einer Schlauchmagenoperation streitgegenständlich, für welche die Krankenkasse die Kostenübernahme im Vorfeld der stationären Behandlung gegenüber dem betroffenen Versicherten aufgrund der fehlenden stationären Behandlungsnotwendigkeit abgelehnt hatte.

Das LSG Baden-Württemberg nahm auch dazu an, dass die Krankenkasse mit den Einwendungen, dass die Operation und der stationäre Aufenthalt nicht erforderlich waren, ausgeschlossen sei, weil das notwendige Überprüfungsverfahren nicht eingeleitet worden ist.

Die von der Krankenkasse geltend gemachte Leistungsablehnung gegenüber dem Versicherten ersetzt nach Ansicht des Gerichts die konkreten Prüfung der Abrechnung anhand der in der Patientenakte enthaltenen Unterlagen nicht. Dem Einwand der Krankenkasse, es liege der identische, unveränderte Sachverhalt zugrunde, der auch für die Antragsablehnung gegenüber dem Versicherten maßgeblich gewesen ist, kann nach Meinung der Richter nicht gefolgt werden. Ob es sich weiterhin um den identischen Sachverhalt handelt, kann nach Ansicht des Gerichts mangels Behandlungsunterlagen bzw. Patientenakte nicht beurteilt werden.  Dabei war für das Gericht auch fraglich, ob die Krankenkasse im Rahmen des Sozialdatenschutzes überhaupt berechtigt sei, die aus dem Verwaltungsverfahren gewonnene Erkenntnisse für die Abrechnung zu benutzen. Entscheidend ist aber, dass eine im Versicherungsverhältnis ergangene bindende Leistungsablehnung ist für das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ohne Bedeutung ist.

Mit dem Ablehnungsbescheid hat die Krankenkasse den Antrag des Versicherten bestandskräftig abgelehnt. Dieser kann daher gegenüber der Krankenkasse eine Freistellung von Kosten bzw. einen Kostenerstattungsanspruch nicht mehr verlangen. Dies schließt aber nicht aus, dass ein Versicherter gleichwohl einen Anspruch auf die Sachleistung hat, weil die Ablehnung zu Unrecht erfolgt ist oder sich später noch Umstände ergeben, die nunmehr einen Anspruch begründen. Das Krankenhaus ist nicht gehindert, die Behandlung – auch als Sachleistung – zu erbringen. Das Vergütungsrisiko für eine nicht notwendige Krankenhausbehandlung trägt das Krankenhaus, weil die Notwendigkeit der Behandlung gesetzliche Anspruchsvoraussetzung ist. Bei eigenen Zweifeln an der Erforderlichkeit einer stationären Behandlung machen Leistungserbringer die Behandlung eines Versicherten von der vorherigen Erklärung der Krankenkasse über die Anerkennung der stationären Behandlungsnotwendigkeit abhängig. Legt der Versicherte eine Leistungsablehnung der Krankenkasse vor, tritt das Risiko eines Vergütungsrechtsstreits für den Fall der Erbringung einer Sachleistung besonders zu Tage. Das Krankenhaus wird daher in der Regel die Leistung nicht erbringen oder den Versicherten nur als Selbstzahler behandeln. Die Ablehnung der Sachleistung durch die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten hat insofern für das Krankenhaus Indizwirkung. Das Krankenhaus ist jedoch nicht gehindert, die Behandlung gleichwohl als Sachleistung zu erbringen, z.B. weil es sich hierzu aus medizinischen Gründen verpflichtet fühlt.

Dem Krankenhaus kann daher auch nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherte keine Klage erhoben hat. Ob jemand nach einem für ihn ungünstigen Ausgang eines Widerspruchsverfahrens den Klageweg beschreitet, ist zudem eine persönliche Entscheidung. Die Beweggründe können höchst unterschiedlicher Natur sein, die Annahme einer fehlenden Erfolgsaussicht ist nur einer von mehreren möglichen Hintergründen für die Entscheidung. Dies kann dem Krankenhaus, das hierauf keinen Einfluss hat, im Rahmen eines Abrechnungsstreits nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr steht es der Krankenkasse frei, eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorzunehmen. Tut sie dies nicht, kann sie die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung nachträglich nicht in Frage stellen.

Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg stellt noch einmal klar, dass die Leistungsablehnung der Krankenkasse, das Krankenhaus weder an der Erbringung der Leistung hindert, noch die Abrechnung der Behandlung grundsätzlich in Frage stellt. Denn die Krankenkasse treffen im Verhältnis zum Krankenhaus eigene Prüfpflichten, die nicht durch etwaige Überprüfungen durch den MD im Verhältnis zum Versicherten bereits erledigt sind. Diese deutliche Trennung der beiden unterschiedlichen Rechtskreise ist zu begrüßen.

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Meinungen zu diesem Beitrag

  1. mein fall. danke herr kollege für die ausführungen. die revision wurde zugelassen, die sache geht nach kassel.
    schönen gruß aus frankfurt am main,
    tim c. werner

  2. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrter Herr Kollege Werner,
    vielen dank für die Rückmeldung. Dann wünschen wir für das Revisionsverfahren viel Erfolg. Wenn das BSG bei seiner bisherigen Linie bleibt, dürften die Erfolgsaussichten nicht zu schlecht sein. Aber dem BSG fällt in der Regel ja immer noch ein neuer Gedanke ein…
    Mit freundlichen kollegialen Grüßen
    Florian Wölk

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