Zur wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des Arztes

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Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Arztes ist seit Jahren in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB festgeschrieben. Die Anwendung der Vorschrift bereitet der Praxis nach wie vor Probleme, insbesondere weil die Unsicherheiten über die Erstattung von Behandlungskosten im Bereich der privaten Versicherung von vielen Ärzten nicht überblickt werden.

Umso mehr ist zu begrüßen, dass der BGH in seiner aktuellen Entscheidung vom 28.01.2020 (- VI ZR 92/19 -) einige wichtige Grundsätze für die Reichweite der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des Arztes aufgestellt hat.Im entschiedenen Sachverhalt hatte der BGH sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit der Arzt verpflichtet gewesen ist, den Patienten über die möglicherweise nicht voll Kostenerstattung für ein neues noch nicht etabliertes Verfahren (VenaSeal closure System) durch seine Krankenversicherung aufzuklären.

Der BGH macht zunächst deutlich, dass den Arzt der eine sog. Neulandmethode anwende auch eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht treffen kann, weil sich gerade aus der fehlenden Anerkennung der neuen Methode hinreichende Anhaltspunkte für eine fehlende Kostenübernahme ergeben können. Allein aus der Anwendung einer analogen Abrechnung einer GOÄ-Ziffer nach § 6 Abs. 2 GOÄ folge dies aber nicht, weil diese in der GOÄ ausdrücklich vorgesehen sei. Allerdings muss der Arzt, der eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet, die Möglichkeit in den Blick nehmen, dass der private Krankenversicherer die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang erstattet und daher auch über die mögliche Kostenbelastung aufklären. Hier bleibt der BGH in seiner Rechtssprechungslinie, dass den Arzt im Bereich der Neulandmethoden in jeder Hinsicht eine gesteigerte Aufklärungspflicht trifft.

Gleichzeitig mach der BGH aber auch klar, dass die in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB kodifizierte Pflicht des Arztes zur wirtschaftlichen Information des Patienten nur dazu dient den Patienten vor finanziellen Überraschungen  zu schützen und ihn in die Lage versetzen soll, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überschauen. Sie zielt allerdings nach dem Gericht nicht auf eine umfassende Aufklärung des Patienten über die wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung.

Dabei spielt gerade die Unterscheidung zwischen der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten und Privatpatienten eine wichtige Rolle, weil der Vertragsarzt aufgrund des begrenzten Leistungskatalogs im GKV-System regelmäßig weiß, welche Behandlungen wie vergütet werden. Demgegenüber stellt sich die Situation bei Patienten mit privater Krankenversicherung grundsätzlich anders dar. Hier liegt die Kenntnis vom Umfang des Versicherungsschutzes grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Patienten. Der Deckungsschutz privat krankenversicherter Patienten ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Entscheidend sind vielmehr die Bedingungen des konkreten Versicherungsvertrags und die Regulierungspraxis des im Einzelfall zuständigen Versicherers, zu dem allein der Patient in einer vertraglichen Beziehung steht und bei dem dieser vorab eine vorherige Erstattungszusage einholen kann Deshalb ist bei der Annahme einer Informationspflicht in diesem Bereich grundsätzlich auch nach dem BGH Zurückhaltung geboten.

Darauf aufbauend stellt der BGH zusätzlich in prozessualer Hinsicht klar, dass das Vorliegen einer Pflichtverletzung sowie die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den behaupteten Schaden allein vom Patienten nachzuweisen ist, dem im Bereich der individuellen Heilbehandlung auch keine Beweislasterleichterungen zugute kommen, wie sie der BGH etwa im Bereich der Aufklärungspflicht bei Anlageberatungen angenommen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 08.05.2012 – XI 262/10 –). EIne allgemeine „Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhalten“ könne es für den hoch indivudellen Bereich der wirtschaftlichen Aufklärung im medizinischen Bereich nach dem BGH nicht geben. Insofern muss auch der Patiente nachweisen, dass er sich bei korrekter wirtschaftlicher Aufklärung für eine andere Behandlung entschieden hätte. Verbleiben Zweifel daran, geht dies allein zulasten des Patienten.

Die Entscheidung ist zu begrüßen und klärt einige grundsätzliche Probleme der Reichweite und der Beweisregeln der wirtschaftlichen Aufklärung nach § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB. Für Ärzte, die Bereich der alternativen Medizin oder Neulandmedizin tätig sind, ist aufgrund der Entscheidung des BGH dringen zu empfehlen, die formgerechte wirtschaftliche Aufklärung ihrer Patienten sicherzustellen.

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