Keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit bei „unwirtschaftlicher“ ambulanter Behandlung

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Das Sächsische Landessozialgericht hat in einem Urteil vom 30.05.2017 (– L 1 KR 244/16 –) klargestellt, dass die Unwirtschaftlichkeit einer ambulanten Behandlung nicht eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Patienten nach § 39 Abs. 1 SGB V begründen kann.

Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot gem. § 12 Abs. 1 SGB V kann danach kein Anspruch auf Vergütung der stationären Behandlung begründet werden, auch wenn im Einzelfall die stationäre Krankenhausbehandlung für die Krankenkasse „kostengünstiger“ bzw. „wirtschaftlicher“ als eine ambulante Behandlung wäre.

Auch wenn § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V als eine Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots verstanden werden kann, richtet sich die Erforderlichkeit der stationären Behandlung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V allein nach medizinischen Gesichtspunkten. Systematisch ist die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nach der Auffassung des Gerichts im Verhältnis zum Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 Abs. 1 SGB V eine vorrangige Spezialvorschrift. Sie beinhaltet eine typisierende Regelung, die einen allgemeinen „Vorrang“ der ambulanten Behandlung oder – umgekehrt – einen allgemeinen Nachrang stationärer Formen der Krankenhausbehandlung verdeutlichen will. Es kommt deshalb bei der Anwendung des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht darauf an, ob eine ambulante Krankenbehandlung im Einzelfall kostengünstiger als eine stationäre Krankenhausbehandlung wäre. Im System der Gesetzlichen Krankenversicherung sind die Voraussetzungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung selbst dann nicht erfüllt, wenn das Behandlungsziel durch eine ambulante Behandlung erreicht werden kann, die zwangsläufig höhere Kosten auslöst als eine aus medizinischer Sicht ebenso geeignete stationäre Behandlung, deren Vergütung nach dem DRG-Fallpauschalensystem abzurechnen wäre oder wenn die ambulante Behandlung aus anderen Gründen dem Effizienzgebot widerspräche.

Hinzu käme nach der Entscheidung des Gerichts, dass ein Vertragsarzt nicht prüfen kann, ob in einem ambulanten Behandlungsfall die vertragsärztliche Behandlung kostengünstiger als eine stationäre Krankenhausbehandlung wäre, und dabei sogar Gefahr liefe, bei unzutreffender Einschätzung der jeweils anfallenden Kosten im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen  einer Honorarkürzung ausgesetzt zu sein.

Die Entscheidung ist rechtsdogmatisch sicherlich nicht zu beanstanden und setzt die konsequente Orientierung der Rechtsprechung des BSG an der medizinischen Beurteilung der stationären Behandlungsnotwendigkeit nach § 39 Abs. 1 SGB V um (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 6/15 R –). Auf der anderen Seite ist durch die starke Betonung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 Abs. 1 SGB V durch die neuere Rechtsprechung des BSG bei der stationären Behandlung, diese Grenzziehung gar nicht so klar, wie es nach der Lektüre der Entscheidung den Anschein hat. Denn nach der Rechtsprechung des BGH zwingt § 12 Abs. 1 SGB V alle Leistungserbringer bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen. Die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erfordert nach dem BSG, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger, ausreichender und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (vgl. etwa BSG Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R –). So betont das BSG gerade für Krankenhäuser, dass diese bei der Behandlungsplanung – unter Abwägung der ambulanten Behandlungsmöglichkeiten – eine Verpflichtung besteht den gleich geeigneten, aber kostengünstigeren Weg wählen (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 6/15 R –). Hier könnte durchaus die Frage diskutiert werden, warum diese allgemeine Verpflichtung nicht auch Vertragsärzte trifft bzw. ob der allgemeine Vorrang der ambulanten Behandlung auch dann gilt, wenn sie gerade nicht „wirtschaftlicher“ ist.

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