Wahlleistung und Stellvertretung – Grenzen der Delegation durch Stellvertretervereinbarungen

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Seit dem grundlegenden Urteil des BGH vom 20.12.2007 (- III ZR 144/07 -) steht zwar fest, dass sich der zuständige Wahlarzt auch bei einer vorhersehbaren Verhinderung mit individuellen Stellvertretervereinbarungen von der Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung befreien lassen und die Behandlung durch einen Vertreter durchgeführt werden kann. Die Grenzen der Delegationsfähigkeit und die Anwendung der Stellvertretervereinbarungen in Praxis bereiten aber immer wieder erhebliche Probleme.

So werden die vorgedruckten Stellvertretervereinbarungen in der Praxis auch oft dafür benutzt, die wahlärztlichen Behandlungen regelhaft auf andere Ärzte zu delegieren, wobei der konkrete Verhinderungsgrund nicht benannt wird und auch die Patienten kaum über ihre Wahlmöglichkeiten aufgeklärt werden.

Dass diese Praxis nicht dazu führen kann, dass sich der Wahlarzt durch Stellvertretervereinbarungen grundsätzlich von seiner Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung befreit, hat das OLG Hamburg in seiner Entscheidung vom 27.03.2018 (- 3 U 220/16 -) klargestellt. In dem entschiedenen Fall hatte der zuständige Wahlarzt eine längere Behandlung mit insgesamt 23 Stellvertretervereinbarungen auf verschiedene Ärzte delegiert, wobei in den einzelnen Stellvertretervereinbarungen weder ein Grund für die Verhinderung noch Zeitangaben zur Verhinderung des Wahlarztes festgehalten waren.

Das OLG Hamburg hat in diesem konkreten Fall angenommen, dass die Stellvertretervereinbarungen unzulässige Formularvereinbarungen seien. Zwar entsprachen die verwendeten Vordrucke der Stellvertretervereinbarung den Anforderungen des BGH in der Entscheidung vom 20.12.2007 (- III ZR 144/07 -), das OLG Hamburg nahm aber an, dass aufgrund der konkreten Umstände des Sachverhaltes nicht mehr von einem Aushandeln im Sinne einer Individualvereinbarung  ausgegangen werden könne. Vielmehr spräche die regelhafte Verwendung der Vordrucke ohne hinreichende Individualisierung (keine Angabe des konkreten Verhinderungsgrundes) für eine unzulässige Formularvereinbarung. Es sei auch nicht feststellbar, dass der zuständige Wahlarzt tatsächlich verhindert gewesen sei, weil dieser auch im Berufungsverfahren keinerlei Angaben zum Grund seiner Verhinderung gemacht hatte. Nach dem OLG Hamburg ergibt sich aus dem Umständen, dass für den zuständigen Wahlarzt schon bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung feststand, dass er die Wahlleistung nicht selbst erbringen würde, obwohl kein Verhinderungsfall vorlag, so dass eine Abrechnung der Wahlleistungen auch gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen würde.

Die Entscheidung betrifft einen Sonderfall und ist daher im Ergebnis auch richtig. Die Delegation einer Wahlleistung durch 23 Stellvertretervereinbarungen höhlt den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung durch den Wahlarzt aus und widerspricht dem Sinn und Zweck der Wahlleistungsvereinbarung. Die Entscheidung berührt aber auch Probleme der Praxis, die weniger eindeutig zu lösen sind. So ist der Einsatz von Stellvertretervereinbarungen ohne Verhinderungsfall etwa auch dann üblich, wenn der Patient die Behandlung durch einen konkreten Arzt wünscht, der aber nicht der zuständige Wahlarzt ist. Warum in diesen Fällen die Möglichkeit der Stellvertretung des Wahlarztes auf einen Verhinderungsfall beschränkt sein soll, ist nicht überzeugend zu begründen und ergibt sich auch nicht aus den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.20007 – III ZR 144/07 –). Dass entsprechende Vereinbarungen nur im Wege einer Individualvereinbarung möglich sind und dabei an die Aufklärung des Patienten strenge Anforderungen zu stellen sind, ist nicht zu bestreiten. Dass die Möglichkeit der individuellen Vereinbarung einer Vertretung des Wahlarztes aber nur auf einen Verhinderungsfall beschränkt sein soll, widerspricht dem Grundsatz der Privatautonomie und widerspricht auch den berechtigten Interessen des Patienten im Einzelfall den behandelnden Arzt zu bestimmen.

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