Zur Befangenheit von Ärzten in GOÄ-Streitigkeiten

0

Die Befangenheit ärztlicher Sachverständiger bei der Aufklärung des medizinischen Sachverhalts in Abrechnungsstreitigkeiten bleibt ein heikles Thema. Gerade in Spezialmaterien, in denen es nur wenige Experten gibt, wird von Seiten der privaten Krankenversicherungen immer wieder eingewendet, dass die aktiven Ärzte nicht neutrale Sachverständige sein könnten, weil sie selbst nach den Vorschriften der GOÄ abrechnen. Im Bereich Strahlentherapie hat dies etwa dazu geführt, dass alle in Deutschland tätigen Fachärzte wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurden und die Gerichte teilweise Gutachter aus Österreich beauftragten. Die Wahl der gerichtlichen Gutachter in gebührenrechtlichen Streitigkeiten bleibt ein erhebliches Problem.

Der BGH hatte diesen Tendenzen allerdings bereits mit dem Beschluss vom 06.06.2019 (- III ZB 98/18 -) widersprochen und klargestellt, dass der Umstand, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern einer privaten Krankenversicherung Behandlungsleistungen erbracht und nach der GOÄ abgerechnet hat,  für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen kann, wenn in einem Rechtsstreit zwischen einem anderen Versicherungsnehmer und der Krankenversicherung die medizinische Notwendigkeit und Abrechenbarkeit entsprechender Behandlungsleistungen beurteilt werden muss. Nur bei Hinzutreten weiterer, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen in Frage stellender Umstände kann die Annahme eines Ablehnungsgrunds gerechtfertigt sein.

Aber selbst diese Klarstellung ändert nichts daran, dass einige Landesärztekammern auf Anfrage von Gerichten oft nur pensionierte Fachärzte als Gutachter vorschlagen, die fachlich für die Bewertung aktueller medizinischer Sachverhalte nicht hinreichend qualifiziert sind. Die Praxis dieser Landesärztekammern bedingt einen erheblichen Mangel an Qualität in der Begutachtung der medizinischen Sachverhalte und führt auch dazu, dass für bestimmte medizinische Fachgebiete etwa in Bayern nur noch ein Gutachter als gerichtlicher Sachverständiger tätig wird, dessen zweifelhaften Ansichten allzu oft von den Gerichten völlig unkritisch übernommen werden, wobei die Gutachten dieser Sachverständigen oft auch noch zu 80 % bis 90 % aus Rechtsausführungen bestehen. Die bedenkliche Tendenz vieler Amtsgerichte in Abrechnungsstreitigkeiten nach der GOÄ, die Entscheidung völlig auf den Sachverständigen zu delegieren und aufklärungsbedürftige medizinische Sachfragen nicht von Rechtsfragen zu trennen, verschärft diesen Qualitätsmangel noch. Völlig untaugliche Beweisfragen wie etwa „Ist die Rechnung der Klägerin nach den Vorschriften der GOÄ korrekt?“ oder „Besteht der Anspruch des Klägers nach der GOÄ in Höhe der Klageforderung?“ sind leider keine Seltenheit.

Umso mehr ist es gemeinsame Aufgaben aller Beteiligten die aufklärungsbedürftigen medizinischen Sachfragen herauszuarbeiten und für eine ausreichende Anleitung des gerichtlichen Sachverständigen durch das Gericht Sorge zu tragen. Die Landesärztekammern sollten Gutachter ausschließlich nach medizinischer Kompetenz benennen und sich nicht zum „Hüter der Neutralität der medizinischen Sachverständigen“ machen, denn dies ist Aufgabe des Gerichts. Im Übrigen sind es Ärzte längst gewohnt, mögliche Interessenkollisionen offenzulegen. Letztlich bleibt es Aufgabe der medizinischen Sachverständigen den medizinischen Sachverhalt aufzuklären. Die gebührenrechtliche Bewertung ist allein Sache des Gerichts. Beim richtigen Rollenverständnis reduzieren sich die möglichen Interessenskollisionen. Im Vordergrund sollte die fachlich qualifizierte Begutachtung des medizinischen Sachverhalts, was letztlich im Interesse aller Beteiligten ist.

Für Rückfragen zu diesem oder einem anderen medizinrechtlichen Thema stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite http://www.ra-glw.de

Ihre Meinung dazu?

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.
Ihre E-Mailadresse wird weder veröffentlicht, noch an Dritte weitergegeben.

* *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden .