Unsachliche Reaktion kann Befangenheit begründen

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Die Auseinandersetzung um die Gutachten ärztlicher Sachverständige kann in gerichtlichen Verfahren durchaus zu sehr kritischen Ausführungen gegen die Gutachten führen. Gerade in Arzthaftungsprozessen geht es insbesondere für die Patientenseite um viel. Die zunehmende Professionalisierung der ärztlichen Gutachaten hat viel dazu beigetragen, dass die Gutachter auch auf heftige Kritik und teilweise unangebrachte persönliche Angriffe sachlich reagieren. Dennoch finden sich gerade bei medizinischen Sachverständigen immer noch „Empfindlichkeiten“, die dazu führen, dass die Sachverständigen ihrer persönlichen Verletztheit in den Gutachten Ausdruck verleihen. und sich der Besorgnis der Befangenheit aussetzen Diese unprofessionellen und unsachlichen Reaktionen sind aber nicht ohne Risiko, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom vom 20.08.2021 (– 17 W 16/21 –) zeigt.

Auf eine kritische Stellungnahme, die durch ein medizinisches Privatgutachten gestützt worden ist, erwiderte der gerichtliche Sachverständige, dass es unmoralisch sei dass im Falle einer nicht der gleichen Meinung mit den Anwälten, auf einmal der Sachverständige  als nicht gut genug oder nicht spezialisiert sei bzw. ihm die  entsprechende Kompetenz abgesprochen würde.

Diese Bewertung als „unmoralisch“ sieht das Gericht zutreffend als kritisch an.

Ein Sachverständiger kann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Es ist unerheblich, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder ob das Gericht etwa Zweifel an dessen Unparteilichkeit hegt. Es ist allein maßgeblich, ob für die das Ablehnungsgesuch stellende Partei der Anschein einer nicht vollständigen Unvoreingenommenheit und Objektivität besteht, wobei mehrere Gründe, die für sich genommen eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen vermögen, in ihrer Gesamtheit die notwendige Überzeugung vermitteln können. In diesem Zusammenhang können Negativäußerungen über eine Prozesspartei die Voreingenommenheit begründen. Die Besorgnis der Befangenheit kann sich zudem daraus ergeben, dass der Sachverständige auf die gegen sein Gutachten gerichtete sachliche Kritik mit abwertenden Äußerungen über die Partei, ihre Prozessbevollmächtigten oder einen Privatgutachter reagiert.

Die Unterstellung unmoralischen Verhaltens der Prozessbevollmächtigten einer Partei verlässt dabei jeglichen Verfahrensbezug und stellt sich als nicht veranlasste Kränkung der Reputation des Sachverständigen dar, die begründete Zweifel zu wecken geeignet ist, der Sachverständige werde angesichts dessen den Behauptungen der entsprechenden Partei nicht mehr unvoreingenommen entgegentreten, mag der Sachverständige auch in dem Gutachten und seiner Stellungnahme zu dem Befangenheitsgesuch auf seine Objektivität verweisen. Entscheidend ist nicht, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder das Gericht ihn für befangen hält, sondern allein wie sich sein Verhalten aus Sicht der betroffenen Partei darstellt.  Das Verhalten der Prozessbevollmächtigten wegen deren kritischer Stellungnahme als unmoralisch zu bezeichnen, entfernt sich nach Ansicht der Richter von einer verfahrensbezogenen, die Förmlichkeiten des dem erfahrenen Sachverständigen bekannten zivilprozessualen Verfahrens wahrenden Reaktion.

Der Entscheidung ist zu zustimmen und hilft den medizinischen Sachverständigen hoffentlich bei der Wahrung des Sachlichkeitsgebotes. Dabei sollte – auch die teilweise überspitzte – Kritik an Gutachten nicht überbewertet werden und schon gar nicht als Kränkung empfunden werden. Die Thematisierung solcher Empfindungen hat in einer gutachterlichen Stellungnahme nichts zu suchen und hilft weder dem Gericht noch den Parteien. Dabei sollten die medizinischen Sachverständigen auch Bedenken, dass sie bei erfolgreicher Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit auch ihren Vergütungsanspruch verlieren können.

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