Ruhen der Berufserlaubnis bei Verdacht der fahrlässigen Tötung?

0

Für Krankenhäuser realisiert sich ein Alptraum-Szenario, wenn wie im Fall des Krankenpflegers Niels Högel, der Verdacht aufkommt, dass eine Pflegekraft gezielt Patienten schädigt. Gerade im Rahmen der juristischen Aufarbeitung des Falles Högel ist denn auch gefragt worden, warum die Verantwortlichen nicht schneller auf Verdachtsmomente reagiert haben. Das ein schnelles präventives Handeln in entsprechenden Verdachtsfällen aber nicht so einfach ist, zeigt ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30.04.2021 (- 2 B 86/21 -).

Das OVG hatte über die Beschwerde eines Krankenpflegers bzgl. der Ruhensanordnung zu dessen Berufserlaubnis nach § 3 Abs. 3 Satz 1 PflBG zu entscheiden. Das Ruhen der Berufserlaubnis war von der zuständigen Behörde angeordnet worden, weil gegen den Krankenpfleger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eines Patienten eingeleitet worden. Die Behörde ordnete auch den sofortigen Vollzug der Ruhensanordnung an. Es stand der Verdacht im raum, dass der Krankenpfleger eines lebensbedrohlichen Zustand eines Intensivpatienten herbeigeführt habe und es unterlassen habe, den verantwortlichen Arzt hinzuziehen. Auf die Beschwerde des Krankenpflegers stellte das OVG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die wieder her, so dass dieser zunächst weiter als Krankenpfleger arbeiten kann.

Das OVG betonte dabei zunächst die besondere Bedeutung der Unschuldsvermutung sowie der Berufsfreiheit des Krankenpflegers aus Art. 12 Abs. 1 GG, so dass im Rahmen der Ermessensausübung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 PflBG strenge Anforderungen an die Anordnung eines vorläufigen Berufsverbotes zu stellen sind. Es reiche nach dem OVG nicht, dass gegen den Krankenpfleger ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet worden ist, sondern im Rahmen der notwendigen Prognoseentscheidung sei zu fordern, dass eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine strafrechtliche Verurteilung bestehe. Diese bestand aber im vorliegenden Fall nicht, weil auch nach der Mitteilung der zuständigen Staatsanwaltschaft, das Verfahren noch völlig offen sei. Ferner sei nach dem OVG zu bedenken, dass es sich um einen einmaligen Vorfall handele und zwischen dem Vorfall und der Reaktion der Klinik (fristlose Kündigung) mehrere Wochen vergangen seien, was gegen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter spreche. Die belastenden Zeugenaussagen seiner Kolleginnen sei der Krankenpfleger  mit „durchaus plausiblen Argumenten“ entgegengetreten, so dass die Anordnung des Ruhens der Berufserlaubnis insgesamt nicht zu rechtfertigen sei.

Die Entscheidung hinterlässt einen ambivalenten Eindruck, denn auf der einen Seite die Betonung der Rechte des betroffenen Krankenpflegers richtig und konsequent. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob es mit Blick auf den notwendigen Schutz von Patienten überhaupt vertretbar ist, dass ein Krankenpfleger gegen den der Verdacht einer vorsätzlichen Schädigung von Patienten im Raum steht, weiter in der Pflege von Patienten tätig ist. Genau die vom OVG geforderte Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung und der Berufsfreiheit des betroffenen Krankenpflegers wird vielen Verantwortlichen in entsprechenden Fällen nachträglich vorgeworfen, weil sie dann angeblich nicht schnell genug reagiert haben.

Für Rückfragen zu diesem oder einem anderen medizinrechtlichen Thema stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite http://www.ra-glw.de

Ihre Meinung dazu?

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.
Ihre E-Mailadresse wird weder veröffentlicht, noch an Dritte weitergegeben.

* *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden .