Abrechnung des integrierten Boost – Zur Codierung des OPS-Code 8-522.91

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Neben den bekannten Streitigkeiten der Abrechnung moderner Behandlungsverfahren in der Strahlentherapie nach der veralteten GOÄ, kommt es aufgrund vermehrter Beanstandungen von gesetzlichen Krankenkassen auch verstärkt zu Streitigkeiten bei der Abrechnung strahlentherapeutischer Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Derzeit bedrängen Krankenkassen die Kassenärztlichen Vereinigungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung mit Anträgen zur Überprüfung der Abrechnung der sog. ConeBeam-Computertomographien bei Durchführung der Strahlentherapie nach der GOP-Nr. 34360 EBM-Ä. Zusätzlich ist gerade im Bereich der Durchführung der Bestrahlungen mit einem sog. integrierten Boost bei Mammakarzinomen umstritten, ob diese Bestrahlung im Rahmen der stationären Behandlung ein zusätzliches Zielvolumen darstellt, so dass eine zusätzliche Codierung des OPS-Code 8.522.91 möglich ist, was entsprechend bei unterschiedlicher Dosisverteilungen über mehrere Körperregionen während einer durchgeführten Fraktion ohne Umlagerung des Patienten gilt.

Der OPS-Katalog definiert dabei, dass ein Zielvolumen das Körpervolumen darstellt, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann.

Da bisher auch von den Krankenkassen die Auffassung vertreten worden ist, dass auch die unterschiedliche Dosisverteilung während einer Fraktion auch ohne Umlagerung des Patienten zu mehreren Zielvolumen führen kann, hatte der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen einen Vorschlag für die Implementierung eines eigenständigen OPS-Codes für die Bestrahlung des integrierten Boost gemacht, der aber vom DIMDI nicht umgesetzt worden ist.

Dennoch hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg nun einem Urteil vom 29.08.2019 (– L 1 KR 176/18 –) die Auffassung vertreten, dass unterschiedliche Dosisverteilungen während einer Fraktion nicht die Annahme mehrerer Zielvolumina begründen.

Das Gericht geht aufgrund der im OPS-Code enthaltenden Definition des Zielvolumen zunächst davon aus, dass nur die Bestrahlung mehrerer Körpervolumina das Vorliegen mehrerer Zielvolumina begründen. Entscheidungserheblich sei deshalb, nach welchen Maßstäben die Identität des bestrahlten Körpervolumens zu bestimmen ist. Aus der im  OPS-Code enthaltenen Definition ergibt sich für das Gericht zunächst, dass ein weiteres Körpervolumen bestrahlt wird und entsprechend eine weitere Fraktion abrechenbar ist, wenn nach einem ersten Bestrahlungsvorgang eine Patientenumlagerung oder Tischverschiebung stattgefunden hat. Im Übrigen sei nach der OPS-Code 8-522.91 weitere Voraussetzung für ein Zielvolumen, dass es mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt wird. Das LSG Berlin-Brandenburg sieht sich nicht in der Lage, aus dieser Bestimmung herauszulesen, dass sich die Identität des Zielvolumens in dem Sinne nach der Dosis bestimmt, dass bereits die gleichzeitige Verwendung von unterschiedlich hohen Strahlendosen für verschiedene Körperregionen zwingend zur Annahme mehrerer Fraktionen führt. Eine Dosis“ meint nach Ansicht der Richter nicht zwingend eine über alle Bereiche identisch hoch bleibende Dosis. Sprachlich könne unter „einer Dosis“ oder einem „bestimmten Dosiszeitmuster“ auch eine einmal festgelegte Bestrahlungsintensität verstanden werden. Eine weitere Dosis liege nach Meinung des Gerichts nicht vor, wenn von Anfang an festgelegt war, dass unterschiedliche Körperregionen in unterschiedlich hohen Intensitäten bestrahlt werden, sondern wenn nach Durchführung eines ersten Bestrahlungsvorgangs die Dosis oder das Dosiszeitmuster wieder geändert werden.

Die Systematik der OPS-Codes zur modernen Strahlentherapie spräche nach Auffassung der Richter dagegen, dass schon die technische Möglichkeit, verschiedene Körperregionen gleichzeitig mit einer Geräteeinstellung mit unterschiedlich hohen Strahlendosen zu belegen, die Abrechenbarkeit mehrerer Fraktionen begründen kann. Zu erinnern sei nach dem Gericht auch daran, dass die OPS-Codes einen bestimmten Behandlungsaufwand abbilden sollen. Wenn es technisch möglich sei, mehrere Köperregionen gleichzeitig, aber mit jeweils unterschiedlich hohen Strahlendosen zu behandeln, entsteht durch den Bestrahlungsvorgang nur einmal ein bestimmter Behandlungsaufwand, welcher durch die OPS-Code 8-522.91 abgebildet wird. Ein erhöhter Behandlungsaufwand entstehe erst dann, wenn der Patient nach einem ersten Behandlungsvorgang entweder umgelagert werden muss oder eine Veränderung der Geräteeinstellung vorgenommen wird.

Die Entscheidung ist gerade mit Blick auf die bisherige auch von den Krankenkassen vertretene Auffassung zur Auslegung des OPS-Code 8-522.91 kritisch zu hinterfragen. Denn gerade der Änderungsantrag zur Codierung der Bestrahlung mit einem integrierten Boost zeigt mehr als deutlich, dass die Krankenkassen die Auffassung des klagenden Krankenhauses bisher teilten. Problematischer erscheint die Auffassung des Gerichts, dass die Bestrahlung im Rahmen der modernen Strahlentherapie mit unterschiedlichen Dosen und Körperregionen ohne Umlagerung des Patienten in einem Bestrahlungsvorgang keinen erhöhten Aufwand bedeutet. Dass der Einsatz der modernen Verfahren deutlich mehr technischen und personellen Aufwand bedeutet, als die herkömmlichen Verfahren dürfte auch von den Krankenkassen nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Es ist daher schlicht falsch, wenn das Gericht davon ausgeht, dass ein erhöhter Aufwand erst durch die Umlagerung des Patienten entsteht.

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