Beweislast bei nachträglicher Prüfung der Krankenhausabrechnung

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Für die Altfälle der nachträglichen Prüfung von Krankenhausabrechnungen durch die Krankenkassen nach Ablauf des Frist des § 275c SGB V (alte Fassung – aF) ist in den gerichtlichen Verfahren die Frage der Beweislast von entscheidender Bedeutung. Leider gehen auch in den Fällen, in denen die Krankenkassen aktiv die angebliche Übervergütung einklagen, viele Gericht nach wie vor davon aus, dass die Richtigkeit der Rechnung allein vom Krankenhausseite nachgewiesen werden müsse, so dass im Fall der Nichterweislichkeit der Vergütungsvoraussetzungen, den Klagen der Krankenkassen stattgegeben wird.

Das LSG Baden-Württemberg hat in einem Urteil vom 25.01.2022 (– L 11 KR 236/20 –) dagegen mit überzeugender Begründung verdeutlicht, dass in entsprechenden Konstellationen die Nichterweislichkeit zu Lasten der klagenden Krankenkasse gehe.

Das Gericht folgt den Grundsätzen der Verteilung der objektiven Beweislast (so auch BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R –). Allgemein gilt danach, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zulasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Zwar trägt auch bei Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs durch eine Krankenkasse grundsätzlich das beklagte Krankenhaus die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich das Bestehen ihres in der Sache streitigen Vergütungsanspruchs ableitet. Denn die Krankenkassen erbringen die Vergütung für stationäre Behandlungen in der Regel nicht vorbehaltlos, sondern ausschließlich zur Erfüllung ihrer vertraglichen Zahlungspflicht zeitnah nach Rechnungseingang. Da der Krankenkasse eine sachgerechte Prüfung eines Krankenhausaufenthaltes und der dafür vom Krankenhaus geforderten Abrechnung in diesem Zahlungszeitraum nicht möglich ist und das Krankenhaus noch mit einer nachträglichen Prüfung ihrer Abrechnung seitens der Krankenkasse rechnen muss, erfolgt eine solche Zahlung der Krankenkasse konkludent unter dem Vorbehalt einer nachträglichen. Bei einer Zahlung innerhalb der vorgegebenen Zahlungsfristen erklärt die Krankenkasse den Vorbehalt vielmehr konkludent. Dies folgt nach dem LSG aus der Rechtsbeziehung der Krankenkassen mit den Krankenhäusern. Infolge des kompensatorischen Beschleunigungsgebots ist die Krankenkasse zur Zahlung kurze Zeit nach Rechnungseingang verpflichtet, ohne die Abrechnung des Krankenhauses jedoch sachgerecht überprüfen zu können. Die Krankenkasse erbringt mithin die Vergütung, obwohl das Krankenhaus die Voraussetzungen für den geltend gemachten Vergütungsanspruch noch nicht nachgewiesen hat. Daher ist für das Krankenhaus regelmäßig offensichtlich, dass die Krankenkasse die Vergütungsforderung trotz der Zahlung noch eingehend prüfen muss. Daher tritt bei einer Zahlung der Krankenkasse unter dem konkludenten Vorbehalt der Prüfung im Regelfall keine Umkehr der Beweislast ein. Vielmehr trägt die Krankenkasse nach wie vor die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Vergütungsanspruchs.

Dieser Grundsatz erfährt dann eine Durchbrechung, wenn das Krankenhaus die gesetzlich geforderten Daten nach § 301 SGB V vollständig und richtig übermittelt hat, die Krankenkasse die Krankenhausvergütung geleistet hat und die von der Krankenkasse in der Sache gerügte primäre Fehlbelegung der Auffälligkeitsprüfung des § 275 Abs 1c SGB aF unterfällt, die klagende Krankenkasse eine solche zu keinem Zeitpunkt durchgeführt hat und eine sachlich-rechnerische Richtigstellung, die nach der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage nicht der Regelung des § 275 Abs 1a SGB V unterfiel, ausscheidet. Wenn die klagende Krankenkasse weder eine Auffälligkeitsprüfung gesetzeskonform eingeleitet hat noch eine sonstige Prüfung durchführen kann, trägt sie danach die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit ihrer Zahlungen.

Die Entscheidung ist für den Fall der Auffälligkeitsprüfung konsequent und ausdrücklich zu begrüßen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Argumentation des LSG nicht konsequenterweise auch für die Fälle einer nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellung angewendet werden sollte, bei denen die Krankenkassen nachträglich und oft „ins Blaue hinein“ Abrechnungsfehler behaupten, die ohne eine detaillierte Prüfung der Behandlungsunterlagen nicht möglich sind. Auch hier stellt sich bzgl. der Beweislast eine vergleichbare Situation, so dass die Frage gestellt werden muss, warum nur das unterschiedliche Prüfregime vor der Gesetzesänderung zum 01.01.2015 für diese nachträglichen Prüfungen einen prozessualen Unterschied begründen soll.

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