Fälligkeit des Vergütungsanspruches des Krankenhauses

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Auch mit Blick auf die Diskussionen um das sog. MDK-Reformgesetz wird aktuell über die Frage der unbedingte Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen bei Erhalt einer Krankenhausrechnung diskutiert. Dabei wurde bereits daraufhin gewiesen, dass das im MDK-Reformgesetz enthaltene Aufrechnungsverbot der kritischen Liquiditätssituation der Krankenhäuser nicht weiterhelfen wird, wenn die Krankenkassen insgesamt dazu überzugehen, beanstandete Krankenhausabrechnungen gar nicht mehr oder nicht vollständig zu zahlen, was derzeit bereits Praxis der Allgemeinen Ortskrankenkassen sowie der Knappschaft-Bahn-See ist.

Durch die Entscheidung des BSG vom 09.04.2019 (- B 1 KR 3/18 R -) wird diese Frage für die Krankenhäuser in Zukunft noch brisanter.

Das BSG hatte in dem zitierten Verfahren die Frage zu entscheiden, wer die Kosten eines Verfahrens zu tragen hat, in dem die Krankenkasse auf Rückzahlung bereits gezahlter Vergütung wegen angeblich falscher Kodierung in der Krankenhausabrechnung klagte. Im gerichtlichen Verfahren war durch Einholung eines Gutachtens festgestellt worden, dass die vom MDK der Krankenkassen beanstandeten Nebendiagnosen tatsächlich unzutreffend waren, aufgrund anderer zu codierender Nebendiagnosen die abgerechnete Fallpauschale aber korrekt war. Das Krankenhaus machte sich die Ansicht des Sachverständigen zu Eigen und die Krankenkasse erklärte das Verfahren für erledigt, beantragte aufgrund der fehlerhaften Abrechnung aber, die Kosten des Verfahrens dem beklagten Krankenhaus aufzuerlegen.

Die Auffassung der Krankenkasse hat das BSG mit einer erstaunlichen Begründung tatsächlich bestätigt, wobei das BSG schon einige „prozessuale Klimmzüge“ machen musste, um hier überhaupt zu einer Entscheidung zu kommen.

Nach dem BSG ist aber entscheidend, dass die ursprüngliche Klage der Krankenkasse aufgrund der objektiv fehlerhaften Abrechnung zulässig und begründet gewesen ist, weil keine fällige Rechnung des Krankenhauses vorlag. Zwar müsse das Krankenhaus zur Begründung des Zahlungsanspruches keine neue Rechnung erstellen, was das BSG zutreffend als „reinen Formalismus“ erkennt. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ist das Krankenhaus bzgl. des Vergütungsanspruches mit der Beuzgnahme auf die vom Sachverständigen vertreten Auffassung zur korrekten Abrechnung so zu stellen, als ob sie eine neue Rechnung gestellt habe.

Daraus folge dann aber nach dem BSG, dass aufgrund der fehlerhaften Information der Krankenkasse nach § 301 SGB V (falsche Nebendiagnose) keine fällige Rechnung vorlag und damit die Klage des Krankenhauses auf Rückzahlung ursprünglich zulässig und begründet war. Dass die Rechnung aufgrund einer anderen zu codierenden Nebendiagnose inhaltlich korrekt ist, spielt nach dem BSG dann keine Rolle, was im Ergebnis dazu führt, dass das Krankenhaus die vollständigen Prozesskosten für die Überprüfung der korrekten Abrechnung zu tragen hat.

Die Argumentation des 1. Senates des BSG lässt die Vertreter der Krankenhäuser erneut sprachlos zurück. Im Ergebnis wälzt es die Prozessrisiken vollständig auf die Krankenhausseite ab, denn selbst wenn sich am Ende der gerichtlichen Überprüfung herausstellt, dass die Abrechnung im Ergebnis korrekt ist, hat das Krankenhaus die vollständigen Verfahrenskosten zu übernehmen, wenn eine nichterlösrelevante Nebendiagnose falsch codiert ist. Konsequenterweise müsste angenommen werden, dass keine Krankenhausabrechnung zur Zahlung fällig wird, selbst wenn eine nichterlösrelevante Nebendiagnose falsch codiert worden ist bzw. von der Krankenkasse angezweifelt wird. Allein die Behauptung der fehlerhaften Codierung würde damit eine Zahlungsverweigerung der Krankenkasse begründen können, womit die Finanzierung des Krankenhaussystems insgesamt in Frage gestellt werden könnte.

Wenn das BSG schon darauf abstellt, dass die Erstellung einer neuen Rechnung mit der gleichen Fallpauschale und einer anderen Nebendiagnose ein „reiner Formalismus“ wäre, müsste der 1. Senat des BSG so doch auch fragen, ob dieser „reine Formalismus“ der Fälligkeit der ursprünglichen Rechnung entgegenstehen kann.

Dass dieses Problem auch anders gelöst werden kann, zeigt die Paralallproblematik im Bereich der Privatabrechnung nach der GOÄ. Der BGH hat hier bereits seit Jahren die Ansicht vertreten, dass die Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Rechnung, die Fälligkeit der Rechnung nicht berührt, sondern sich diese allein nach den formalen Vorgaben der GOÄ richtet (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2006 – III ZR 117/06 –) . Warum diese Grundätze aus der Privatabrechnung gegenüber dem Patienten nicht auch im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus gelten sollen und dazu noch auf die Informationspflichten und –obliegenheiten des Krankenhauses in der Abrechnung hingewiesen wird, erschließt sich nicht. Die Entscheidung ist schlicht unverständlich.

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Meinungen zu diesem Beitrag

  1. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrter Herr Schmid,

    interessant sind die Urteile auf jeden Fall. Es wäre nur zu wünschen, dass das BSG die eingeschlagene Linie auch mal konsequent zu Ende denkt. Schließlich drängt sich die Frage auf, was mit der Finanzierung der Krankenhäuser passiert, wenn alle Krankenkassen zunächst nur die unstrittigen Rechnungen bezahlen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Wölk

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