Gebührenrecht und Zielvolumen in der Strahlentherapie

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Gerade bei der simultan integrierten Boost-Bestrahlung (Bestrahlung des Tumorbettes – sog. SIB) im Rahmen der radioonkologischen Bestrahlung stellte sich unter gebührenrechtlichen Aspekten die Frage, ob die Boost-Bestrahlung als eigenes Zielvolumen abgerechnet werden könnte.

Dies lag letztlich nahe, weil die selbständige Abrechenbarkeit der Boost-Bestrahlung im Anschluss an die eigentliche Tumorbestrahlung (sog. sequentielle Boost-Bestrahlung) auch von Seiten der Kostenträger nie bestritten worden ist. Nachdem aber aus strahlenbiologischen Gründen die Boost-Bestrahlung in die Tumorbestrahlung integriert worden ist, wurde von Seiten der Kostenträger unter Hinweis auf die Definition des Begriff des Zielvolumens in den OPS-Kodes 8-52 sowie in Ziff. 4 der Präambel 25.1 EBM-Ä eine selbständig abrechenbare Boost-Bestrahlung verneint.

Im OPS 8-52 sowie im alten EBM-Ä wurde das Zielvolumen dabei definiert als das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann.

Da es bei der SIB weder eine Tisch- noch Patientenverlagerung gab, die bei vielen modernen Bestrahlungsverfahren mit beweglichen Strahlenköpfen eh wegfällt, wurde auch in der Rechtsprechung vertreten, dass  die unterschiedliche Dosisverteilung bei  sich überlappenden Zielvolumen in einer einheitlichen Fraktion kein eigenes Zielvolumen begründet, so dass die eigenständige Abrechenbarkeit der SIB verneint wurde (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.08.2019 – L 1 KR 176/18 –).

Dies führte zu der merkwürdigen Situation, dass die aufwendige selbständige Planung der Boost-Bestrahlung mittels moderner Technik und der zusätzliche Aufwand bei der Durchführung der Bestrahlung völlig unvergütet blieb, so dass es gebührenrechtlich sinnvoller gewesen wäre, die Boost-Bestrahlung wieder sequentiell durchzuführen.

Für dieses Dilemma fand der Bewertungsausschuss im EBM-Ä durch eine zum 01.01.2021 in Kraft getretene Änderung der Ziff. 4 der Präambel 25.1 EBM-Ä allerdings im September 2020 dergestalt eine Lösung, dass nun mehr auch die SIB ausdrücklich als eigenständiges Zielvolumen anerkannt wurde

Umso absurder mutet es daher an, dass für den stationären Bereich der Schlichtungsausschuss zum OPS-Kode 8-52 auf Basis der auch technisch überholten dortigen Definition des Zielvolumens in seiner Entscheidung vom 11.11.2020 genau das Gegenteil vertritt und dies auch damit begründet, dass der Aufwand pro Bestrahlungssitzung bei der SIB der Bestrahlung eines Zielvolumens entspräche, was sachlich unzutreffend ist, weil die Boost-Bestrahlung eigenständig geplant werden muss und die Dauer der Bestrahlung pro Fraktion durch die SIB auch verlängert wird.

Im Ergebnis ergibt sich damit ein merkwürdiger und sachlich nicht zu rechtfertigender Widerspruch zwischen der Vergütung der gleichen Behandlung unter stationären und ambulanten Bedingungen. Warum der Schlichtungsausschuss die abweichende Auffassung des Bewertungsausschusses vom 15.09.2020 bei seiner Entscheidung vom 11.11.2020 nicht zur Kenntnis genommen hat, ist schwer verständlich und zeigt, dass die vollständige Trennung der stationären und ambulanten Vergütungssysteme selbst bei übergreifenden Fragestellungen eine sinnvolle Harmonisierung verhindert.

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