Geschäftsmäßige Sterbehilfe – Von der Freiheit sich den Tod zu kaufen?!

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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit dem Beschluss vom 26.02.2020 (- 2 BvR 2347/15 u.a. -) das gesetzliche Verbot zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe nach § 217 Abs. 1 StGB gekippt.

Die umfassend begründete Entscheidung hat weitreichende Folgen und wirkt weit in das Arzt-Patienten-Verhältnis sowie die Vorstellungen vom Wert des Lebens und Bedeutung des Todes hinein. Nicht umsonst wird über das Thema Sterbehilfe seit Jahren auf allen gesellschaftlichen Ebenen vehement gestritten.

Das BVerfG hatte aber vor allem anderen eine rechtliche Entscheidung zu treffen, die den Gesetzgeber zwingt, die bisher getroffene Entscheidung zum grundsätzlichen Verbot der gewerblichen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch zu revidieren.

Ausgangspunkt des Gerichts ist, dass die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden, von existentieller Bedeutung für die Persönlichkeit eines jeden Menschen ist und sie  Ausfluss des eigenen Selbstverständnisses und grundlegender Ausdruck der zu Selbstbestimmung und Eigenverantwortung fähigen Person ist. Welchen Sinn der Einzelne in seinem Leben sieht und ob und aus welchen Gründen sich eine Person vorstellen kann, ihr Leben selbst zu beenden, unterliegt höchstpersönlichen Vorstellungen und Überzeugungen. Der Entschluss betrifft Grundfragen menschlichen Daseins und berührt wie keine andere Entscheidung Identität und Individualität des Menschen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst deshalb nicht nur das Recht, nach freiem Willen lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen und auf diese Weise einem zum Tode führenden Krankheitsgeschehen seinen Lauf zu lassen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben erstreckt sich auch auf die Entscheidung des Einzelnen, sein Leben eigenhändig zu beenden. Das Recht, sich selbst das Leben zu nehmen, stellt sicher, dass der Einzelne über sich entsprechend dem eigenen Selbstbild autonom bestimmen und damit seine Persönlichkeit wahren kann. Dieses grundlegende von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht umfasst auch die Freiheit für den Suizid bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe solche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gerade die Person, die entschlossen ist, sich das Leben zu nehmen, sieht sich vielfach erst durch die fachkundige Hilfe kompetenter und bereitwilliger Dritter in der Lage, hierüber zu entscheiden und gegebenenfalls seinen Suizidentschluss in einer für ihn zumutbaren Weise umzusetzen. Ist die Wahrnehmung eines Grundrechts von der Einbeziehung dritter Personen abhängig und hängt die freie Persönlichkeitsentfaltung in dieser Weise an der Mitwirkung eines anderen, schützt das Grundrecht auch davor, dass es nicht durch ein Verbot gegenüber Dritten, im Rahmen ihrer Freiheit Unterstützung anzubieten, beschränkt wird.

Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es den Betroffenen aber faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen, weil entsprechende Anbieter ihre Tätigkeit nach Inkrafttreten von § 217 StGB zur Vermeidung straf- und ordnungsrechtlicher Konsequenzen eingestellt haben.

Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung dabei zwar  einen legitimen Zweck, weil die Regelung dazu dienen soll, die Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Leben und hierdurch das Leben als solches zu schützen Dieser Regelungszweck ist vor der Verfassung nicht zu beanstanden und bewegt sich innerhalb eines dem Gesetzgeber durch die Verfassung auferlegten Schutzauftrags. Die Annahme des Gesetzgebers, dass gerade von einem unregulierten Angebot geschäftsmäßiger Suizidhilfe Gefahren für die Selbstbestimmung und das Leben ausgehen können, beruht auch auf einer hinreichend tragfähigen Grundlage, wobei der in § 217 Abs. 1 StGB statuierte grundsätzliche Verbot auch geeignet ist, dem Schutzauftrag des Staates nachzukommen.

Die Regelung ist aber im Verhältnis zum Eingriff in das Freiheitsrecht nach dem BVerfG nicht angemessen.

Mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch § 217 StGB hat der Gesetzgeber die sich aus der existentiellen Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts ergebenden Grenzen für eine Einschränkung dieses Rechts nach Meinung der Verfassungsrichter überschritten. Zwar vermag der hohe verfassungsrechtliche Rang der Rechtsgüter Autonomie und Leben, die § 217 StGB schützen will, den Einsatz des Strafrechts auch in Form abstrakter Gefährdungsdelikte grundsätzlich zu legitimieren. Die Straflosigkeit der Selbsttötung und der Hilfe dazu steht als Ausdruck der verfassungsrechtlich gebotenen Anerkennung individueller Selbstbestimmung jedoch nicht zur freien Disposition des Gesetzgebers. Das strafrechtliche Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verengt die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen in diesem Bereich der Selbstbestimmung faktisch kein Raum zur Wahrnehmung verfassungsrechtlich geschützter Freiheit verbleibt, so dass die Regelung im Ergebnis verfassungswidrig ist.

Der Gesetzgeber wird daher unter Verzicht auf eine strafrechtliche Sanktionierung der Sterbehilfe einen Weg finden müssen, eine interessengerechte Lösung zu finden, den Sterbewilligen nicht jeden Weg zu verbauen und gleichzeitig die unbestreitbar vorhandenen Risiken der geschäftsmäßigen Sterbehilfe zu regulieren. Dies ist keine einfache Aufgabe, wie auch die umfassend begründete Entscheidung des BVerfG zeigt. Denn auch wenn dieser unter Berücksichtigung der Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Ergebnis zu stimmen ist, bleiben doch erhebliche Zweifel.

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